Zoë Schlär ist seit fast 20 Jahren Mediatorin und versteht sich als Übersetzerin in Konfliktsituationen – sowohl im Beruflichen als auch im Privaten. Zudem ist sie Ausbilderin für Mediation, Trainerin und Systemischer Businesscoach. Für Creme Guides schreibt sie über festgefahrene Situationen, neue Begegnungsräume und das gegenseitige Verstehen, um nachhaltige Veränderung zu erreichen.
In einem Team, in dem Reibungen an der Tagesordnung sind, bleibt produktives Arbeiten oft auf der Strecke. So wie in dem Team, um das es heute geht: Hier gibt es Spannungen auf gleich vier Ebenen. Die Abläufe sind nicht klar definiert und werfen immer wieder Fragen auf. Der Purpose ist diffus: Susanne verfolgt ein anderes Ziel als Jan, beide ziehen nicht am selben Strang. Auch die Verteilung der Arbeit ist unausgeglichen. Jan leistet weit mehr Überstunden als alle anderen, was für Frust sorgt. Zuletzt sind auch persönliche Differenzen hinzugekommen: Susanne und Anne sind aneinandergeraten, und Jan hat sich demonstrativ auf Annes Seite gestellt.
Vier Konfliktebenen also, die es zu klären gilt: Strukturen, Purpose, Fairness und Beziehungen. Aus Sicht der Organisationsentwicklung würde man wahrscheinlich mit den Abläufen starten: Prozesse definieren, Verantwortlichkeiten klären. Ein Teamcoach hingegen würde vielleicht den Fokus auf „low-hanging fruits“ legen und zunächst die Ungleichverteilung der Arbeit angehen. Die Chefin sieht vermutlich die Ziele im Zentrum und würde die Visionen für das Team nachschärfen wollen.
Als Mediatorin empfehle ich jedoch einen anderen Ansatz: Fangen wir mit der Ebene an, die am unattraktivsten scheint – mit der Beziehungsebene. Die Frage, wie wir miteinander umgehen und wie wir miteinander sprechen, ist entscheidend. Denn wie soll das Team gemeinsam Abläufe optimieren, wenn sich zwei Kolleginnen innerlich voneinander abgewendet haben? Wie soll ein Gespräch über einen fairen Ausgleich von Überstunden gelingen, wenn der Ärger über die vergangene Ungerechtigkeit unausgesprochen im Raum steht?
Beziehungsarbeit bedeutet nicht, dass wir uns auf emotionales Terrain begeben und über Empfindungen endlos diskutieren. Vielmehr geht es darum, das gegenseitige Verständnis wiederherzustellen und den Boden für sachliche Lösungen zu bereiten. Wenn der persönliche Ärger nachlässt und gegenseitige Angriffe enden, entsteht der Raum, um konstruktiv über Arbeitsabläufe, Aufgabenverteilung und Zielklarheit zu sprechen.
Der Weg zu einer tragfähigen Konfliktlösung führt also durch die Tür der Beziehungsebene. Dort, wo es am meisten Unbehagen bereitet. Doch genau da liegt die Chance: Wenn wir lernen, uns auf Augenhöhe zu begegnen und respektvoll zu kommunizieren, lassen sich die strukturellen Fragen im Anschluss deutlich leichter lösen. Kommunikation ist eben nicht alles – aber ohne sie ist alles nichts.