Manch alter Schmuck könnte wohl legendäre Partyanekdoten zum Besten geben; derlei Dinge haben für uns oft einen Wert, der nicht gegen Geld einzutauschen ist. Das trifft aber auf die wenigsten Dinge zu, die uns im Alltag umgeben. Im Gegenteil: Durchschnittliche Europäer*innen besitzen heute ungefähr 10.000 Dinge, das kann man so im Internet nachlesen. Und: Einmal gekaufte Produkte werden immer weniger genutzt.
Klamotten, die noch mit Preisschild im Schrank landen verstauben, Hammer, mit denen genau ein Bild aufgehängt wurde. Was daraus folgt ist im Grunde eine einfache ökonomische Rechnung: Während der Warenwert für die einmalige Nutzung hoch liegt, sinkt der wahre Wert des Gegenstands. Ökonomen nennen das den "Grenznutzen der Dinge"; wenn etwas nicht genutzt wird, wird es sinn- und wertlos. Selbst Kunst oder die alten Kristallgläser von Oma haben ihren Wert in der Freude, die sie uns bringen.
Dinge und ihr Besitz sind unweigerlich mit dem Menschen verbunden. Seitdem er auf zwei Beinen umherwandert zeugen Gegenstände von vielfältigen ökonomischen, sozialen und kulturellen Austauschprozessen und prägen menschliche Praktiken und Beziehungen. Mehr denn je erlebten wir das im sogenannten Lockdown: Wie hätte man schließlich ohne Laptop und Co mit den Liebsten kommunizieren können.
Doch nicht nur an Dinge geknüpfte Erinnerungen und Beziehungsgeflechte schaffen einen Wert: Material, Arbeitszeit und Idee geben ihnen einen Preis. Zumindest sollte es so sein. Bevor es Arbeitsteilung und Billigfabrikation gab, war das Handwerk sinn- und identitätsstiftend für viele Menschen. In vielen Fällen kannte man nicht bloß den Produzenten selbst, sondern auch den Zulieferer. Und viel mehr gab es dann auch gar nicht mehr. Heute entstehen Waren in unzähligen Arbeitsschritten an zahlreichen Orten der Erde. Das entfremdet von der Arbeit, entkoppelt vom Wert und verbraucht vor allem Ressourcen.
Das liegt auch daran, dass wir für etliche Dinge unseres Alltags nicht den "wahren Preis" zahlen, der auch Umweltzerstörung und Ausbeutung von Arbeiter*innen abzeichnen würde. Auf dem Preisschild steht ein bereinigter Preis, der die Auswirkungen der Billigproduktion auf Länder des globalen Südens respektive die Zukunft abwälzt. Denn für Billig-Produkte und Obendrauf-Mentalität zahlt immer jemand anderes. Aber der Wert der Dinge ist eben nicht nur ökonomisch.
Viele Anhänger der Minimalismus-Bewegung sprechen darüber hinaus davon, dass Konsum unfrei macht. Unbedachter, unkritischer Konsum belastet nicht nur die Umwelt, sondern auch unser eigenes Denken: Wieviel kann ich von meinem Geld kaufen? Wo gibt es das günstigste Teil und wo werde ich es wieder los, wenn ich dessen überdrüssig geworden bin? Vielen leuchtet der Gedanke irgendwie ein.
Nur: Muss ich deshalb zum radikalen Minimalisten werden und auf jeglichen Konsum verzichten? Immerhin: Die schönen Dinge, die uns umgeben, können das Leben auch so sehr bereichern. Hochwertigen Weingläser etwa aus denen jedes Getränk noch etwas besser schmeckt, oder eine zarte Kette, die uns bei jedem Blick in den Spiegel erfreut.
Statt also völlig auf Konsum zu verzichten, sollten stattdessen also die Dinge Einzug in unseren Alltag halten, die wir wirklich lieben. Deren Gebrauch und Erhalt uns die Mühe des Besitzes wert sind. Die Lieblingshose etwa, die wir auch ein drittes Mal flicken lassen. Denn eins ist sicher: Wir können mit Dingen enge Beziehungen eingehen.
Ein gutes Produkt hat seinen Preis; das gilt für Kleidung ebenso, wie für hochwertige Lebensmittel oder Kosmetik. Deshalb habe ich mir vorgenommen, in langlebige Produkte zu investieren, an denen ich lange meine Freude habe. Zeitlos und formschön nicht jedem Trend hinterherlaufen, sondern den Sinnen schmeicheln. Und die nicht zuletzt unter moralisch vertretbaren Bedingungen hergestellt wurden.
Denn traditionelles Handwerk hat nicht nur einen zeitökonomischen, sondern auch einen kulturell enormen Wert. Fairness und ethischer Konsum zeigt sich nun mal nicht in Preisreduktionen und Obendrauf-Mentalität. Lassen wir uns doch darauf ein und gehen mit den Dingen um uns Beziehungen ein. Es lohnt sich nicht bloß ökologisch und ökonomisch, sondern bringt uns auch einen ästhetischen Mehrwert.
Schon meine Oma mahnte: Kaufe Qualität oder kaufe doppelt. Entwickeln wir ein wertschätzendes Konsumverhalten, bei dem wir eine echte Beziehung zu den Dingen des Alltags einzugehen wagen und ein Gespür dafür entwickeln, welche Arbeit in einer Ware oder Dienstleisung steckt. Das führt nicht nur zu einem anderen Bewusstsein zu unserem eigenen Konsumverhalten, sondern auch dazu, unsere Ökonomie zu hinterfragen, die auf stetiges Wachstum und Wohlstandssteigerung ausgelegt ist.
Längst fällt nämlich auf: Die sogenannte Steigerung des Wohlstands und Besitz machen offenbar nicht glücklicher. Dinge von hohem Wert, kann man nicht gegen Geld aufwiegen.