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Verständnis Die Position des anderen hören können

Montag, 01. Juli 2024

Über die Autorin

Zoë Schlär ist seit fast 20 Jahren Mediatorin und versteht sich als Übersetzerin in Konfliktsituationen – sowohl im Beruflichen als auch im Privaten. Zudem ist sie Ausbilderin für Mediation, Trainerin und Systemischer Businesscoach. Für Creme Guides schreibt sie über festgefahrene Situationen, neue Begegnungsräume und das gegenseitige Verstehen, um nachhaltige Veränderung zu erreichen.

In Auseinandersetzungen und Diskussionen rutschen wir oft von einem konstruktiven Austausch in ein Positions-Pingpong. Manche Menschen werden angespannt und laut und andere schaffen es scheinbar leicht, einen angenehmen Gesprächsverlauf auch mit unterschiedlichen Meinungen klug zu gestalten. Was ist das Geheimnis konstruktiver Debatten?

Viele Gespräche sind davon geprägt, dass unterschiedliche Meinungen aufeinanderprallen, dass Einstellungen sich widersprechen und dass Unbehagen und leichte Verärgerungen auftreten – die dann zu Aggressionen und Verhärtungen führen können. Denn wer sich nicht verstanden fühlt, wird oft laut und offensiv. Wer kennt es nicht? Es geht um Fleischkonsum, um Quotenregelungen im Job oder ums Gendern und schon ist man im Konflikt, obwohl man sich eigentlich gut versteht.

In meinen Prozessen nutze ich gern eine Möglichkeit der Entschleunigung, wenn ich eine festgefahrene Kommunikation erkenne. Ich selbst spiegele das von mir Wahrgenommene und stelle meine wertfreien Interpretationen zur Verfügung. In vielen Prozessen reicht das aus, um zu hören, was der oder die andere wirklich gemeint hat.

Vor einiger Zeit waren zwei Geschwister bei mir und wollten den Umgang mit dem Haus der Großmutter regeln. Frau Lehmann und Herr Becker hatten einen Eklat herbeigeführt, von dem inzwischen weitere Familienangehörigen betroffen waren und nun sollte die Situation vor einem anstehenden familiären Ereignis befriedet werden.

So kamen sie in die Mediation. Nachdem wir eine Weile miteinander gearbeitet hatten, war es Frau Lehmann extrem wichtig, dass ihr Bruder die Verantwortung für die Eskalation und einen lautstarken Vorfall übernahm. Herr Becker sagte mehrmals, es tue ihm leid, dass er damals laut wurde, aber es sei ja nun nicht mehr rückgängig zu machen.

Was passierte? Sie hörte jedes Mal nur „es sei ja nicht mehr rückgängig zu machen“. Ich bat den Bruder nur den ersten Teil des Satzes noch einmal auszusprechen und die Schwester sollte dann wiederholen, was sie gehört hatte. Er sagte also nur: „Es tut mir leid“ und sie wiederholte dies.

In dem Moment, in dem der Satzteil nach dem aber (vorerst) gestrichen wurde, wurde die Bitte um Entschuldigung für die Schwester hörbar. Durch ihre eigene Wiederholung der Worte, kam in ihrem Bewusstsein an, dass ihr Bruder sowohl Empathie zeigte als auch Verantwortung übernahm. Es gab dann eine kleine Pause und ging in einer veränderten und entspannten Atmosphäre weiter.

Zu wiederholen, was man vom Gegenüber verstanden hat, ist ein einfacher und sehr wirkungsvoller Weg, Missverständnisse zu minimieren oder in angespannte Situationen wieder Entspannung zu bringen. Ein kleiner Trick ist außerdem, ein ABER durch ein UND GLEICHZEITIG zu ersetzen, denn die meisten Menschen hören nur das, was nach dem aber folgt. Ein und verbindet hingegen.

Probieren Sie es doch mal aus, wenn jemand eine andere Meinung hat als Sie, was Vegetarismus, Quotenregelungen oder das Gender-Sternchen betrifft. Wiederholen Sie erst, was Sie gehört haben und streichen Sie das aber. Es heißt nicht, dass Sie Ihre Meinung dadurch ändern, sondern nur die andere Meinung anders wahrnehmen.

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