Alles begann mit einem Streit. Also nicht zwischen den beiden Oel Berlin Gründern Marc und Amadeus. Sondern vor einigen tausend Jahren: Poseidon, der Gott der Meere und Athene, die Göttin der Weisheit, stritten über die Herrschaft über Attika, die Landschaft um Athen. Gottvater Zeus riet den Streitenden dazu, dem Volk Attikas ein Geschenk zu bereiten. Am Ort des Wettbewerbs, der heutigen Akropolis, stieß Poseidon seinen Dreizack in den Felsen, sodass Süßwasser aus der soeben entstandenen Quelle hervorsprudelte. Athene jedoch pflanzte dem attischen Volk einen Olivenbaum. Ein überaus nützliches Geschenk…
Marcs eigene Begeisterung für Olivenöl ist eng mit seiner Freundschaft zu Geschäftspartner Amadeus verbunden. Als 17-jähriger Schüler zieht er zuhause aus und kümmert sich selbst um Küche und Haushalt. Damals hat er nicht unbedingt einen Plan davon, was gute Lebensmittel sind, wie sie erzeugt sein sollten, worauf man achten sollte. Retrospektiv sagte er, habe er sich damals durchaus schwierig ernährt.
Von seinem Schulfreund Amadeus lernt er das Olivenöl von den Olivenhainen seiner Familie kennen. Amadeus nutzt damals jede Gelegenheit, nach Kalamata (Ja, das gleiche, das bekannt für seine wunderbaren Oliven ist) zu fliegen und Öl mitzubringen. Es schmeckt frisch, grün, hat eine heuartige Süße und milde Schärfe. Allein dieser ganz besondere Geschmack vermittelt Marc, dass dieses Öl etwas sehr Besonderes ist.
Die Schulfreunde jobben damals noch in der Gastronomie. Sie denken: Wenn schon sie als „kulinarische Nulpen“ das schmecken, dann werden Menschen, die sich mit Genusskultur auskennen, das Öl auch wertschätzen. Sie werden Recht behalten. Bekannte Köch:innen und Feinschmecker:innen reißen ihnen das Öl vom Olivenhain Amadeus Großmutter förmlich aus den Händen. Eine fixe Idee beginnt zu wachsen. Mit dem Hain und den Oliven von Anthoula Tzamouranis fängt vor sechs Jahren alles an.
Voller Entdeckergeist und Kreativität stürzen sich Marc und Amadeus mit der Naivität und Schaffenskraft Anfang 20-Jähriger in das Projekt Olivenöl. Zu Beginn war das mengentechnisch noch sehr überschaubar und trotzdem sprengt die Zahl 1,5 Tonnen Öl ihre Vorstellungskraft. Bekannte Gastronom:innen reißen sich regelrecht um ihr Öl. Der Plan der beiden jungen Männer geht auf: Die Qualität überzeugt.
Die jungen Männer sind angefixt: Wenn diese flachse Idee schon so zündet, wollen sie es offiziell machen. Ein ganzes Jahr beschäftigen sie sich mit Verpackung, Produktion, Import, Export, Markenanmeldung, Markenrecht, Anwälten, Lagerung, Logistik. Das Gründen macht viel Arbeit. Aber sie lohnt sich. Den ersten Weg zu einem Einzelhändler treten die Oel-Jungs mit einer windigen Preisliste und wenig Ahnung von Margen an. „Es ging trotzdem gut über die Bühne“, fasst Marc zusammen, „Ich werde nie vergessen, wie es sich anfühlte, dass unser Öl bald in drei Läden stehen wird.“
Die minimalistischen schwarzen Kanister fallen auch dem ehemaligen Athener Taxifahrer Ilias auf, der in der Gegend von Kalamata eine Ölmühle betreibt. Zwischen den drei Männern funkt es sofort. „Wir sind die Söhne, die er nie hatte“, scherzt Marc. Die Ölmühle sei bereits auf sehr hohem Niveau gewesen, mit der Fusionierung sei Ilias in Sachen Professionalisierung mitgezogen und habe sie komplett neu aufgebaut. Heute sei sie die modernste Verarbeitungsanlage der ganzen Region. Oel Berlin wird hier nicht gepresst, sondern extrahiert. Ilias kümmert sich vor Ort um die 5000 Bäume, die bis zu 1000 Jahre alt sind. Außerdem um die Abfüllung und den Export, Marc und Amadeus um die Marke in Berlin. Oel Berlin ist unabhängig – die eigenen Bäume, die eigene Mühle, autarkes arbeiten. Das ist ungewöhnlich bei Olivenölproduzenten.
Ihre Haine sind in der ganzen Region von Meligalas bis Andania in Kalamata verteilt. Hier lebt bis heute ein großer Teil von Amadeus Familie – Tanten, Onkel, Cousins und Cousinen und natürlich Oma Anthoula, mit deren Ölfrüchten alles anfing. Es ist grün, kaum bebaut. „Wenn man die Region von oben anguckt, ist sie ein riesiger Obst- und Gemüsegarten“, schwärmt Marc. Und es ist eine spannende Region mit jahrtausendealter Geschichte.
Über eine wichtige Verbindungstraße parallel zur Autobahn, biegt man durch kleine Dörfer, fährt irgendwann eine unspektakuläre T-Kreuzung ab. Diese Gegend auf dem Peleponnes ist sehr bergig. Hier oben liegt auch Sparta – genau: das Sparta. Es folgen einige Serpentinen und weitere unspektakuläre Meter, bis man zum Oel Berlin Hain kommt, der auf einer halbmondförmigen Anhöhe liegt. Von hier aus hat man einen 360 Grad Blick nach Kalamata. „Hier scheint die pralle Sonne, der Wind weht sacht, es gibt keinerlei Bebauung, dazu der Blick und die absolute Ruhe“, beschreibt Marc den Hain.
Dieser Ort ist jedes Mal ein Spektakel für Marc, Amadeus, Simone und Co. „Diese Ruhe und diese Kraft, die von den Bäumen ausgeht. Der Olivenbaum ist nicht einfach Baum. Die Geschichte hat irrsinnig tiefe Wurzeln und geht auf die griechische Mythologie zurück. Der Baum trägt einen heiligen Status“, erklärt Marc den Wert des Olivenbaums für die Griechen.
Trotzdem werde gerade in der Olivenölindustrie oft erheblicher Schmu betrieben. Eine Mischung aus Raffgier und Pragmatismus habe dazu geführt, dass beim Olivenöl große Margen erschlichen und durch Vollautomatisierung hochgeschraubt würden, fast wie bei Kokain. Durch Monopolisierung und Agrarsubventionen würde es sich kaum noch lohnen, gute Lebensmittel zu schaffen. Dabei sei es ist kein Hexenwerk gutes Öl zu machen. Man müsse es einfach natürlich lassen, erläutert Marc. Überhaupt versuchen sie im kompletten Herstellungsprozess so nah an der Natur zu arbeiten, wie möglich.
Diese Idee, die die Gründer gehütet und gehegt haben, kann heute sie, ihre Mitarbeiter:innen und ihre Kinder ernähren. Das erfülle Marc mit viel Glück. Er sei zufrieden, wenn es andere sind. In den letzten sechs Jahren ist viel passiert. Der gemeinsame Freund Simone kommt dazu, die Selfmade-Firma vergrößert sich. Das Unternehmen ist durch eine familiäre Atmosphäre geprägt, viele Familienmitglieder werden regelmäßig mit einbezogen, vielleicht mal die Kinder.
Im Alltag beflügelten ihn die begeisterten Rückmeldungen der Kund:innen, zu denen das Oel Berlin Team enge Kontakte pflegt. „All das macht mich zufrieden. Dass ich was geschaffen habe, was uns ernährt und gesund macht“ resümiert Marc. Aber das beste an seiner Arbeit sei eigentlich die Zeit im Jahr, „wenn wir die Schreibtische verlassen, und tatsächlich im Hain stehen, abends das Tagewerk betrachten und ein Bier trinken.“
Heute koche Marc übrigens ganz passabel, wie er sagt. Und gern. Um abends vom Stress runterzukommen etwa. Dabei kommt natürlich jede Menge Olivenöl zum Einsatz. „Der Zeuge meiner Kochwut: Ich bin mittlerweile im Olivenölverbrauch bei etwa 12 Litern im Jahr angekommen, das ist der griechische Durchschnitt.“ (zum Vergleich: in Deutschland sind es gerade mal 0,8 Liter im Jahr).
Wenn’s schnell gehen muss, kocht Marc am liebsten Pasta, natürlich mit bestem Olivenöl und Salz. „Gute Sachen sind einfach – das gilt für die griechische, wie für die italienische Küche“ findet Marc, „man braucht nicht viel, aber das, was man hat, muss gut sein. Dann kann absolut Magisches passieren!“ Kein Wunder, dass Olivenöl in Griechenland als heilig gilt. Jeder weiß ja, wer den Streit damals gewonnen hat, schließlich trägt die griechische Hauptstadt den Namen der Siegerin.