Zoë Schlär ist seit fast 20 Jahren Mediatorin und versteht sich als Übersetzerin in Konfliktsituationen – sowohl im Beruflichen als auch im Privaten. Zudem ist sie Ausbilderin für Mediation, Trainerin und Systemischer Businesscoach. Für Creme Guides schreibt sie über festgefahrene Situationen, neue Begegnungsräume und das gegenseitige Verstehen, um nachhaltige Veränderung zu erreichen.
Was spannend und aufregend für die eine ist, kann für den anderen anstrengend und durcheinander sein und was für ihn wiederum bewährt und sicher erscheint, ist für die andere langweilig und eingefahren. In diesem Spannungsfeld von Wechsel und Dauer befinden wir uns oft und wenn wir die Vorteile von beiden erkennen, haben wir viel gewonnen.
Überall da, wo wir mit anderen zusammenkommen, insbesondere dort, wo wir uns das Miteinander nicht unbedingt ausgesucht haben, treten irgendwann Spannungen oder Konflikte auf. Das ist menschlich, das ist normal, denn wir ticken alle ein bisschen anders. Einige brauchen ständig etwas Anderes und sprudeln über vor Ideen, ihnen würde langweilig, müssten sie jeden Tag dasselbe tun.
Sie sind gut im Brainstormen, Netzwerken und entwickeln ständig etwas Neues. Andere wiederum brauchen Regelmäßigkeit, denn Ordnung und Routinen tun ihnen gut, sie sind von ständigen Wechseln überfordert und vom Chaos genervt. Sie sind diejenigen, die kritisch nachfragen und damit Korrekturen und Kontinuität ermöglichen.
In einem kleinen Team mit flacher Hierarchie habe ich vor kurzem erlebt, dass die Geschäftsführerin viel Ordnung und Struktur brauchte. Sie hat die Prozesse mehrmals durchdacht und von allen Seiten betrachtet. Mit der Zeit fühlte sie sich vom Chaos ihrer engsten Mitarbeiterin genervt, wollte, dass das eine Projekt erst einmal beendet wird, bevor drei neue angefangen werden und hat es irgendwann als „grausam“ bezeichnet, wie der gemeinsam genutzte Büroraum aussah.
Überall lagen Papiere, Post-its klebten nicht nur am Bildschirm, sondern an Lampen und Fensterrahmen und auf den Stühlen lagen offene Aktenordner. Zuerst kämpfte sie still-schweigend gegen den Wirrwarr an, aber irgendwann brach es aus ihr heraus und in einer Teamsitzung meckerte sie lauthals herum und beschwerte sich verzweifelt über die vielen losen Enden der Arbeit und das Durcheinander im Büro.
Die Mitarbeiterin, die für ihre Kreativität sehr geschätzt wurde, brachte gleich zum ersten moderierten Gespräch viele gute Lösungsideen mit: Digitale Tools der Zusammenarbeit, farbiges Papier zum Sortieren nach Projekten und eine andere Aufteilung des Raumes. Alle Ideen wurden durchweg von der Geschäftsführung abgelehnt.
Es brauchte einige Zeit, um zu verstehen und nachzuempfinden, dass hier gar nicht die guten Ideen gefragt waren, sondern erst einmal das Zuhören und Wahrnehmen der Befindlichkeiten. Nachdem die Chefin offengelegt hatte, dass sie eine gewisse Struktur und Ruhe braucht und selbst nicht die Meckerziege sein will, für die sie alle hielten, konnte die Kollegin das verstehen.
Was die Mitarbeiterin wiederum in der letzten Zeit als Einschränkung empfunden hatte und wo sie sich ausgebremst fühlte, war weder abfällig noch begrenzend gemeint. Es war ein ungeschickt formulierter Impuls der Chefin, Beständigkeit herbeizuführen und Projekte erfolgreich zu beenden. Die andere konnte dafür in dem Gespräch erkennen, wie wichtig eine treibende Kraft und eine gewisse Lebendigkeit im Team sind.
Letztendlich haben sich beide auf eine neue Einteilung des Raumes geeinigt und ihre Zeiten anders miteinander abgestimmt, aber vor allem haben sie das „anders-sein“ nicht mehr als störend, sondern als hilfreich und ergänzend empfunden. – Wie ist das bei Ihnen? Kennen Sie solche Auseinandersetzungen im Büro? Tut ihnen Innovation gut oder Routine?