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Künstlerin Nina E. Schönefeld "In meiner Welt sind die Frauen diejenigen, die die Welt verändern"

Mittwoch, 14. April 2021
Advertorial

Für unser Creme Guides Kunst-Special hat sich Esther Harrison mit der Künstlerin Nina E. Schönefeld, die übrigens eine waschechte Berlinerin ist, über Ihre immer brisanten und hochaktuellen Arbeiten unterhalten, sie aber auch gebeten, uns ein paar ihrer Lieblingsorte in Berlin zu verraten. Ohne zu viel vorwegzunehmen: In Schönefelds perfekt inszenierten Videoarbeiten sind Frauen diejenigen, die nicht aufgeben, ihr Leben riskieren und die Welt verändern. Noch Fragen?

Esther Harrison: Liebe Nina, in deiner Arbeit adressierst du dringende Themen unserer Zeit, wie Umweltverschmutzung, die Macht der großen Konzerne oder auch die Pressefreiheit. Ist für Dich Kunst auch immer Aktivismus?

Nina E. Schönefeld: Ich habe mich schon immer für Revolutionär*innen, Aufklärer*innen, Märtyrer*innen und Zeitgenoss*innen interessiert, die radikal anders sind. Menschen, die ihr bürgerliches Leben verlassen, um Veränderung und Neues zu schaffen, freiwillig oder zum Teil auch unfreiwillig. Mir war schon früh während meines Kunststudiums klar, dass ich nicht nur ästhetischen Kriterien in einem Medium verhaftet bin, sondern interdisziplinär arbeiten möchte, mit dem Fokus auf unsere Zeit.

TRUTH LAMP, 2021, mixed media Points of Resistance @Zionskirche
P. A. R. A. D. I. S. E., 2021, simulation
D A R K   W A T E R S, 2018, video still, Facing New Challenges_ Water, 202021   @Heidelberger Kunstverein &  @Internationales Filmfestival Mannheim-Heidelberg
L. E. O. P. A. R. T., 2019, video installation  @Haverkampf Gallery, Berlin
C.O.N.T.A.M.I.N.A.T.I.O.N., 2021, video still,  HD video, 11_11 min., color, with sound EMBARK @129Gallery, Western Comfort Boat
B. T. R. (BORN TO RUN), 2020,  AT THE LIMIT @Kunsthalle Bratislava, Museum Slovakia  (1)
HACKER ON THE RUN, 2018, sculpture
D A R K   W A T E R S   &   S N O W   F O X, 20182019,  12x12 video space @Berlinische Galerie, Museum Berlin
P. A. R. A. D. I. S. E., 2021, video still,  HD video, 27_25 min., color, with sound
D A R K   W A T E R S, 2018  @30 Years of Goethe Institut Beijing, China
CLASSIFIED HACKER, 201920        @Show Me Your Selfie II @Diskurs Berlin
PREPPER COAT, 2016, wall sculpture &  performance costume  @SOME DEMONSTRATIONS by Charlie Stein  @MANIFESTA, 2016, Zurich
DEMOCRACY LAMP, 2017, sculpture
N.O.R.O.C.2.3., 2020, video still,  HD video, 08_23 min., color, with sound @Contemplatio.art & @Momentum Worldwide Collection
N.O.R.O.C.2.3., 2020, Multichannel screening,  HD video, 08_23 min., color, with sound @Galerie La Pierre Large, Strasbourg, France

Mein starkes Interesse an visionären künstlerischen Neuentwicklungen und der Wunsch am aktuellen gesellschaftspolitischen Diskurs teilzunehmen, hat zu interdisziplinären Videoinstallationen geführt. Inhaltlich beschäftige ich mich hier schon seit einiger Zeit mit politisch motivierten Hacker*innen, Survival-Spezialist*innen, Investigativ-Journalist*innen und Polit-Aktivist*innen.

Und vielleicht bin ich über die Jahre auch ein Stück weit immer mehr selbst mit meinen Filmheldinnen verschmolzen und zu einer Aktivistin geworden, die die wichtigen Themen unserer Zeit in die Öffentlichkeit trägt, keine Angst vor Auseinandersetzungen verspürt und sich aktiv in aktuelle Diskurse einmischt. Ich denke, die Kunst ist ein enorm wichtiges Korrektiv in unserer Gesellschaft. Die Kunst als solche ist zweckfrei und verfolgt keine von außen bestimmten Regeln, deshalb können wir uns als Künstler*innen auch über Grenzen hinwegsetzen.

Harrison: Du zeigst gerade in der Group Show Points of Resistance in der Zionskirche eine neue skulpturale Mixed-Media-Installation die “TRUTH LAMP“ heißt, sowie deine Videoarbeit B. T. R. (B O R N   T O   R U N, 2020), was erwartet den Besucher, worum geht es in diesen beiden Arbeiten?

Schönefeld: Meine Videoarbeit B. T. R., die 2020 schon in der Kunsthalle Bratislava und auf der DIGITALE Düsseldorf zu sehen war, spielt im Jahre 2043 und handelt von der Weltherrschaft rechter autoritärer Autokratien und vom kompletten Verbot der publizistischen Freiheitsrechte von Journalist*innen. Die Geschichte von B. T. R. dreht sich um das Schicksal der Filmheldin S. K. Y.

Sie arbeitet in einem rechten Erziehungslager und beginnt, über ihre eigene Vergangenheit zu recherchieren. Dabei nimmt sie Kontakt zu einer Gruppe unabhängiger Journalist*innen und Verleger*innen auf. Am Ende geht sie in den Untergrund und riskiert ihr Leben im Kampf, die Wahrheit zu veröffentlichen.

Die Arbeit B. T. R. fordert den Betrachter heraus, selbst aktiv zu werden, sich nicht in Sicherheit zu wiegen, mit dem Argument, dass wir doch in einem demokratischen Land leben. In meiner langen Recherchearbeit bin ich auf beunruhigende Vergleiche zwischen unserer gegenwärtigen Zeit und der Weimarer Republik und der Machtübernahme durch Hitler gestoßen.

Die Arbeit TRUTH LAMP (2021) ist eine Art von mystischem Orakel, eine wertvolle Ikone oder ein anbetungswürdiger Fetisch. Hier kann der*die Besucher*in, im übertragenen Sinne, seine Hand auflegen und erfährt die Wahrheit über die Gegenwart. Es gibt eine gewisse Paradoxie bei der TRUTH LAMP, die aber gewollt ist: Sie strahlt auf der einen Seite Kostbarkeit, Besitzen wollen und Einzigartigkeit aus und auf der anderen Seite hat man Assoziationen wie Verwitterung und Zerfall. Solange sie leuchtet, wird sie uns den richtigen Weg weisen.

Harrison: Bleiben wir bei deinen perfekt inszenierten und immer packenden Videoarbeiten, in denen weibliche Protagonistinnen für eine bessere Zukunft kämpfen. The Future is Female?

Schönefeld: In all meinen Videoarbeiten wird mit stereotypen Geschlechterdarstellungen gespielt und es stehen fast ausschließlich weibliche Heldinnen im Zentrum des Geschehens. Viele Charaktere in meinen Videoproduktionen sind von Künstlerkolleginnen, aber auch von Umweltaktivistinnen und Investigativ-Journalistinnen, inspiriert.

In P.A.R.A.D.I.S.E. (2021), einer Videoarbeit, die gerade in Japan bei der Roppongi Art Night Tokyo zu sehen war und im Herbst im CICA Museum in Korea gezeigt wird, geht es um zwei Journalistinnen, die gemeinsam vertuschte Todesfälle aufklären.

Auch im Rahmen meines Videowerks B. T. R. habe ich mich mit der Arbeit von Journalist*innen befasst. So zum Beispiel mit den investigativen Beiträgen von Andrea Röpke, die seit Jahrzehnten Informationen über die rechte Szene in Deutschland veröffentlicht und die sich in ihrem Kampf um Aufklärung niemals einschüchtern oder beirren lassen hat. In meiner Welt sind die Frauen diejenigen, die nicht aufgeben, ihr Leben riskieren und die Welt verändern. 

Harrison: Du wirst bald auch in zwei anderen großen Group Shows vertreten sein, beides Ausstellungen am Puls der Zeit. Worum wird es gehen?

Schönefeld: Auf die Show EMBARK der 129 Gallery freue ich mich schon sehr. Alle teilnehmenden Künstler*innen stellen in den Schiffskabinen eines verlassenen Hotelbootes (Anm: Western Comfort Boat) in der Nähe der Oberbaumbrücke aus. Von mir wird die Videoinstallation C. O. N. T. A. M. I. N. A. T. I. O. N. (2021) zu sehen sein. Seit Ende der 1970er Jahre bekämpft Greenpeace die Verklappung von Atommüll in den Ozeanen, um eine weltweite Verseuchung zu verhindern.

2019 waren Extinction Rebellion und Fridays for Future allgegenwärtig. Seit Corona hat sich alles verändert. C. O. N. T. A. M. I. N. A. T. I. O. N. ist ein Plädoyer für die Relevanz, den Umweltaktivismus zurückzubringen. 

CORONA CULTURE, die zweite Show, bei der ich demnächst vertreten bin, findet in der Alten Münze statt. Es ist eine Ausstellung, die zeigt, wie die aktuelle Pandemie unsere Werte, Beziehungen, Sehnsüchte und Zukunftspläne beeinflusst und die ein Mosaik von Perspektiven auffächert, wie wir mit Unsicherheit umgehen.

In der Ausstellung zeige ich meine Videoarbeit N. O. R. O. C. 2. 3., die im April 2020 am Beginn der Pandemie entstand. Unter dem Titel N. O. R. O. C. 2. 3. wird das Leben, während einer weltweiten pandemischen Krise, in düsteren Bildern transportiert. Es geht um das Gefühl der ständigen Unsicherheit und einer panikstiftenden, unsichtbaren Bedrohung. Historische Zitate, Passagen aus Romanen, Serien und Filmen, politische Reden und Medienberichte aus unterschiedlichen Epochen unserer Geschichte werden, in einer Art Collage, zu einem Stimmungsbild zusammengesetzt.

Dieser narrative Aspekt des Videos wird von Szenen begleitet, die alle bei Nacht spielen. Im Mittelpunkt: vier Protagonistinnen, die durch entleerte Städte streifen, deren Stille ein trügerisches Gefühl vermitteln. Auf der Suche nach einem Ausweg wissen sie nicht, was der nächste Tag mit sich bringt. Meine optimistische Bilanz am Ende des Videos: Aus dem Stillstand erwächst Neues.

Harrison: Du lebst und arbeitest in Berlin. Welche Kunstorte sind Dir am wichtigsten, wo gehst Du hin, um abzuschalten, oder aufzutanken?

Schönefeld: Ich kenne Berlin wie meine Westentasche, da ich echte Berlinerin bin. Ich lebe in Mitte an der Grenze zum Wedding, mein Studio ist nicht weit entfernt und man kann schon sagen, dass ich mich hauptsächlich in der Mitte Berlins aufhalte. Hin und wieder findet man mich auf dem Friedhof in der Ackerstraße und gerne treffe ich mich mit Freunden am Gipsdreieck auf ein Glas Crémant. Um richtig abzuschalten und auch mal konzentriert eine Videoarbeit fertigzustellen, fahre ich raus aufs Land zum Mellensee südlich von Berlin.

Ausstellungen besuche ich in allen Bezirken, in Museen, Galerien und Projekträumen. Ich gehe gerne in die Berlinische Galerie, ins Kindl, in den Hamburger Bahnhof, in die KOW Gallery, in die Stoschek Collection, in die Fluentum Collection, zum Lage Egal Space, in das SchauFenster, zu Grzegorzki Shows und ins Momentum Worldwide im Kunstquartier Bethanien und zu Video Art at Midnight.

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