Zoë Schlär ist seit fast 20 Jahren Mediatorin und versteht sich als Übersetzerin in Konfliktsituationen – sowohl im Beruflichen als auch im Privaten. Zudem ist sie Ausbilderin für Mediation, Trainerin und Systemischer Businesscoach. Für Creme Guides schreibt sie über festgefahrene Situationen, neue Begegnungsräume und das gegenseitige Verstehen, um nachhaltige Veränderung zu erreichen.
Wochen- oder sogar monatelang waren wir durchgetaktet, haben gearbeitet, den Alltag organisiert, und nun steht endlich der wohlverdiente Urlaub vor der Tür. Die meisten freuen sich auf die gemeinsame Auszeit mit den Liebsten, auf Entspannung am Meer, Aktivitäten in den Bergen oder kulinarische Highlights und Kultur beim Städtetrip. Doch in vielen Familien sind mit der Auszeit auch Spannungen verbunden. Besonders in neu zusammengewürfelten Familien kann die Reisezeit eine besondere Herausforderung darstellen. Wie kann ein guter und erholsamer Urlaub dennoch gelingen?
Sommerzeit = Urlaubszeit, und alle freuen sich auf die Reise! Wirklich alle? – Schon im Vorfeld bedarf es in Patchworkfamilien einer intensiveren Planung, was den Urlaub angeht. Es muss nicht nur die Frage „Fahren wir ans Meer oder in die Berge?“ geklärt werden, sondern die Ferien müssen auch mit den anderen Elternteilen und manchmal sogar mit deren neuen Partnerinnen oder Lebensgefährten koordiniert werden.
Je nach Alter müssen die Kinder extra motiviert oder getröstet werden, wenn die Ideen nicht zusammenpassen oder es müssen individuelle Lösungen gefunden werden. Mein Sohn wollte beispielsweise mit 16 Jahren weder mit seinem Vater noch mit mir in den Urlaub fahren, sondern lieber zu Hause bleiben. Wir haben es damals so organisiert, dass er in Berlin bleiben und mit seinen Freunden Fußball spielen konnte.
In Patchworkfamilien ist es also besonders wichtig, frühzeitig Absprachen zu treffen. Trotzdem ist man vor Enttäuschungen und Ärger während der Ferien nicht gefeit. Selbst wenn das Reiseziel so gewählt wurde, dass alle Wünsche und Bedürfnisse berücksichtigt wurden, wenn die lange Autofahrt oder der chaotische Flug überstanden sind, kommt früher oder später die Ernüchterung.
Die Patchwork-Tochter ist frech, der eigene Sohn fehlt, die Partnerin ist unfair, der Stiefvater hat keine Ahnung, und der Halbbruder nervt. Mitten im Paradies, am hellblauen Meer, ist die Atmosphäre dann eingefroren, und Wut und Trauer überwältigen nicht nur die Kinder. Ein Wort gibt das andere, und schon steckt man mitten im Streit. In solchen Momenten kann es helfen, sich erst einmal zurückzuziehen und durchzuatmen, um die Situation nicht weiter eskalieren zu lassen.
Die Frage nach dem guten Grund für ein bestimmtes Verhalten kann beruhigend wirken. Die freche Patchwork-Tochter vermisst vielleicht ihren Vater, der im Urlaub immer besonders präsent ist und ihr viel Aufmerksamkeit schenkt. Die Partnerin versucht, allen gerecht zu werden, hat dabei aber ihre eigene Sehnsucht nach Ruhe verdrängt, und die letzte Diskussion hat das Fass zum Überlaufen gebracht. Und der kleine Halbbruder freut sich eigentlich so sehr, dass endlich einmal alle zusammen sind!
Neben einem Notfallplan können Enttäuschungen minimiert werden, wenn folgende Fragen im Vorfeld geklärt sind:
Eine klare und offene Kommunikation ist auf jeden Fall notwendig. Darüber hinaus können die Nutzung neuer Apps zur Organisation des Familienalltags oder festgelegte Rhythmen hilfreich sein. So könnte es beispielsweise sinnvoll sein, festzulegen, dass die Kinder immer in der ersten Hälfte der Ferien bei der Mutter und in der zweiten Hälfte beim Vater sind. Auch ein verabredeter Umgang mit dem Verschicken von Bildern oder ritualisierte Telefon- oder Videogespräche können helfen, Konflikte zu vermeiden.
Wir wünschen bei allen Herausforderungen auch in klassischen Familienkonstellationen einen entspannten Urlaub!