Zoë Schlär ist seit fast 20 Jahren Mediatorin und versteht sich als Übersetzerin in Konfliktsituationen – sowohl im Beruflichen als auch im Privaten. Zudem ist sie Ausbilderin für Mediation, Trainerin und Systemischer Businesscoach. Für Creme Guides schreibt sie über festgefahrene Situationen, neue Begegnungsräume und das gegenseitige Verstehen, um nachhaltige Veränderung zu erreichen.
Vertrauen ist ein fragiles Gut. Besonders, wenn es über Jahre hinweg aufgebaut wurde und dann, oft durch einige wenige Momente der Enttäuschung, ins Wanken gerät. So ergeht es Katharina und Marc, die ihren 10-jährigen Sohn Luca im Wechselmodell gemeinsam großziehen. Eine Woche ist Mama-Woche, eine Woche Papa-Woche – eigentlich eine gute Lösung. Doch in letzter Zeit gab es immer wieder Pannen: Verpasste Absprachen, Streit über Termine, unausgesprochene Vorwürfe.
Und nun? Nicht nur das Vertrauen zwischen den Eltern hat gelitten, auch Luca spürt die Spannungen. Er ist traurig, still geworden und unkonzentriert in der Schule. Die Eltern stehen jetzt an einem Punkt, an dem sie sich fragen: Was können wir tun? Wie finden wir wieder einen gemeinsamen Nenner? Wie bauen wir das Vertrauen wieder auf? Die Antwort könnte in einer einfachen Regel liegen: Es braucht fünf gute Momente, um einen schlechten wieder gutzumachen.
Warum fünf zu eins?
Unsere Gehirne sind darauf programmiert, Negatives stärker wahrzunehmen als Positives. Ein Streit, eine vergessene Nachricht oder ein genervter Kommentar hinterlassen tiefere Spuren als ein Lob oder ein freundliches Wort. Das bedeutet: Um das Gleichgewicht wiederherzustellen, braucht es ein Übergewicht an guten Momenten. Fünf zu eins, um genau zu sein.
Wie sieht das in der Praxis aus?
Die 5:1-Regel lässt sich im Alltag konkret umsetzen. Jedes Mal, wenn ein negatives Ereignis passiert – zum Beispiel ein Termin, der nicht wie geplant funktioniert hat – sollten beide Eltern bewusst daran arbeiten, mindestens fünf gute Momente zu schaffen. Wichtig ist dabei, diese geglückten Momente auszusprechen und anzuerkennen, damit sie sichtbar werden.
Was das sein kann? Das können ganz einfache Dinge sein:
Das Wechselmodell lebt davon, dass beide Eltern an einem Strang ziehen. Für das Luca ist es ein Geschenk, wenn Katharina und Marc trotz Trennung als Team funktionieren. Er fühlt sich sicher und geliebt. Die 5:1-Regel kann helfen, diese Grundlage zu stärken. Nicht nur die Eltern profitieren davon, wenn das Vertrauen wieder wächst – das Kind spürt es unmittelbar und direkt.
Fünf gute Momente mögen nach viel Arbeit klingen, um einen schlechten auszugleichen. Doch genau darin liegt die Magie: Durch diesen Fokus auf das Positive entsteht Raum für Versöhnung. Vertrauen ist kein Zufall. Es ist ein bewusstes Handeln – jeden Tag ein kleines Stück. Und manchmal ist es genau diese Mühe, die uns zeigt, warum es sich lohnt.