Immer wieder werde ich darauf angesprochen, wieso unsere Restaurant Portraits so wenig Kritikpunkte enthalten. Es scheint ein sonderbares Bedürfnis danach zu bestehen, am Scheitern anderer teilzuhaben. Ein Zitat aus Kurt Tucholskys 'Schloss Gripsholm' beschreibt dieses Phänomen für mein Empfinden sehr schön: "Ich glaube, wenn ihm sein bester Freund einen Gefallen tun will, dann muss er sich zum Geburtstag vom Chef das Bein brechen."
Etwas aus einem rein positiven Blickwinkel oder schlicht mit Lebensfreude zu betrachten, entspricht scheinbar nicht unserer Natur. Wenn etwas keinen Haken hat, dann stimmt da was nicht. Im Übrigen verführt das Scheitern der anderen stets auch ein wenig zur Aufwertung des eigenen Selbst, schließlich ist einem der Fehler ja selbst nicht unterlaufen.
Nichtsdestotrotz möchten wir bei Creme Guides den Versuch starten, das Augenmerk auf das Schöne zu lenken. Wir verstehen uns als eine Seite für Empfehlungen und nicht für Kritiken. Ähnlich wie wir einer guten Freundin etwas empfehlen, möchten wir unseren Lesern die Orte einer Stadt zeigen, die uns so gut gefallen, dass wir selbst immer wieder dorthin zurückkehren. Dabei habe ich nach vielen Jahren eigener übermäßig kritischer Betrachtungsweise, einfach die Freude daran verloren, mein Augenmerk auf das zu lenken, was im Zuge menschlicher Arbeit eben auch mal schiefgehen kann.
In den Küchen der zum Teil besten Restaurants der Stadt arbeiten Menschen, die ihr Bestes geben und deren oberstes Bestreben es ist, alles perfekt zu machen. Dies ist jedoch schlicht und ergreifend unmöglich. Das kann an tausend kleinen Dingen liegen. Und wenn es nur das Fleisch vom Ochsen ist, der eben mehr als der Ochse neben ihm zur Sehnigkeit geneigt hat und bei allem Können seines Verarbeiters nicht so richtig zart zu werden vermag.
Mir bereitet ein Abend, an dem ich mich am Schönen und Gelungenen erfreue, ungleich mehr Freude als ständig nach dem Haar in der Suppe zu suchen. Die kleinen Dinge, die schiefgehen, fallen so wenig ins Gewicht, dass sie die grundsätzliche Qualität der von uns empfohlenen Orte nicht ernsthaft beeinträchtigen. Dabei ist jeder unserer Besuche ohnehin nur eine Momentaufnahme.
Wenn klar wird, dass Service, Können am Herd und die Qualität der Produkte grundsätzlich stimmen, möchten wir es dem Leser selbst überlassen, welches kleine Detail ihn möglicherweise stört. Mal ist es vielleicht ein wenig zu viel Salz, mal der Gargrad des Fleisches. Es wird sowieso etwas anderes sein als bei uns. Ich empfinde dies als eine unvermeidbare Begleiterscheinung, die ein schönes Essen jedoch nicht beeinträchtigen sollte.
Ist allerdings der Service unfreundlich oder unachtsam, schmeckt ein Gericht in Gänze nicht oder stimmt etwas anderes ganz entscheidend nicht, dann nehmen auch wir Abstand und haben nach so manchem Testessen von einem Beitrag auf Creme Guides abgesehen. Die individuelle negative Bewertung eines Kritikers hat schon so manche Existenz zu Fall gebracht und daran möchten wir uns einfach nicht beteiligen. Wir sagen lieber, was uns gefällt, was wir einen Besuch wert finden und was das Potential hat, auch anderen zu gefallen.