Das die Zeitläufte verrückt sind, wird wohl kaum jemand bestreiten. Ereignisketten sind haltlos geworden, Irrationales und Unberechenbares bestimmen den Alltag. In solchen Zeiten, in denen die Tagesordnung einer Tagesunordnung gleicht, ertönen häufig Rufe nach Trost. Das meint meist einen Raum der Ruhe, des Wohlfühlens und Weltausblendens. Obzwar das soeben erschienene kleine Büchlein von Stig Dagerman ebenfalls das Schlagwort „Trost“ im Titel trägt, meint er doch nicht diesen resignativen, sondern eher einen grundehrlichen, wahrhaftigen Trost.
Zunächst fächert Dagerman den einen großen Trost erst einmal in verschiedene Tröstungen auf: Den Trost des Einsamen, den Trost des Dichters, des Gefangenen, des vom Tode bedrohten. Damit wird der große, oft überfrachtete Trost kleiner und augenblickshafter, von ihm muss nicht gleich die Weltrettung ausgehen.
Zu solchen erwünschten Tröstungen ergänzt Dagerman allerdings noch ungebetene hinzu, die die Verzweiflung der Tage zwar auch schmälern, jedoch lediglich einen falschen Trost auf Kosten anderer bieten. Solche Tröstungen sind die Lust, die Genusssucht, die höhnischen Verachtung. "Aber der Mensch benötigt keinen Trost, der ein Witz ist, sondern einen Trost, der leuchtet."
Dagermans Versuch über den Trost hat mit all den heute bekannten Tröstungen in Buchform wenig gemein, man lasse sich da vom Titel des Buches wirklich nicht irreführen. Dieser kurze Text von gerade einmal 19 Seiten (erweitert um eine Erwiderung von Felicitas Hoppe und biografische Angaben zum Autor) hat eine enorme Kraft und Herrlichkeit! Es ist ein gleichermaßen schöner, streng verdichteter Text widerspenstigen Denkens.
"Mir wird endlich klar, dass jeder Trost, der nicht mit meiner Freiheit rechnet, trügerisch und bloßes Spiegelbild meiner Verzweiflung ist." – Es sind Sätze wie diese, die unter der Oberfläche der 20 Worte eine existenzielle Tiefe besitzen, die von uns Lesern erst einmal erkannt werden möchte. Denn Dagermans Denken ist radikal verknappt.
Diesen Text beginnt man nicht nur am Ende gleich wieder von vorn, sondern kommt immer wieder auf einzelne Formulierungen zurück, liest nach und folgt der Schönheit und Radikalität manchen Gedankenfetzens. "Mich versklavt zum Beispiel mein Talent" beispielsweise, oder "Alles, was ich habe, ist ein Duell", oder "Weil ich am Meer stehe, kann ich vom Meer lernen".
„Trost“ von Stig Dagerman ist ein kantiger, ruppiger Text, der nichts mit einem für schlappe 12€ schnell eingekauften und konsumierten Trost zu tun hat. Das hier ist Unruhe für die Handtasche.