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Punk von Eckhart Nickels

Dienstag, 03. September 2024
Advertorial
Punk
von Eckhart Nickels
Piper Verlag
.
22 €

Die neue WG – das war ja schon immer der Inbegriff für Überraschungen und akute Lebensveränderungen. So ist es auch bei Karen, der Hauptfigur von Punk, die aus einer gutbürgerlichen Welt angehender Klaviervirtuosinnen stammt. Mit dem Eintritt in die Wohnung der Brüder Lambert und Ezra betritt sie eine Art Zauberkugel, wie man sie aus der Mini Playback Show aus den 1990er Jahren kennt: Hinein geht eine Klavierschülerin, hinaus kommt die Sängerin einer Punkband.

Diese WG gleicht dem Wunderland, in dem sich schon Alice nur mit Staunen und vielen Überraschungen zurechtfand. Die Wohnung ist sorgfältigst kuratiert und mit allen möglichen Extravaganzen ausgestattet. Der Flur ist an der Wand mit quadratischen Klarsichthüllen gekachelt, in denen abwechselnd die Lieblingsplattencover der Brüder stecken.

Alles ist hier auf Musik ausgerichtet, auch die geheimnisvolle, vollkommen schallisolierte Absorberkammer. – Und Karen fügt sich wundersamerweise in diese detailfeiernde Welt ein. Schon bei der Begrüßung zum Vorstellungsgespräch verliert sie sich an der Garderobe in einer Melodie-Abstraktion:

„Der rot gefütterte Combie-Mantel, das Donkey-Jackett und der Trenchcoat ergeben als Melodie so ein Rauf und Runter, während die Harrington daneben wieder unterhalb der ersten Note hängt. M-M-Mh-Mh-Mhh. Ich versuche, das Thema in Gedanken zu summen, komme aber nicht wirklich drauf. Es klingt jedenfalls ziemlich nach Drama, wie die berühmten ersten Takte der Neunten Symphonie von Beethoven.“

Die junge Träumerin auf dem Buchcover versinnbildlicht diese Atmosphäre des Romans á la Kann mich mal bitte jemand kneifen. Jeden Moment könnte sie die Augen öffnen und schon wäre sie wieder in der „richtigen“ Welt. Doch sie hält sie geschlossen und lebt weiter ihren Traum, wird Sängerin in einer sagenhaft eigenartigen Band.

Punk ist ein Buch für Jäger und Sammler der Musikgeschichte. Ein unendlicher Schatz aus Verweisen, aus musikalischer und popgeschichtlicher Sinnfindung und Sinnstiftung. Jede Kapitelüberschrift zitiert beispielsweise einen Songtitel, die Plattencover an der Wand werden ausführlich beschrieben und alle Mythen und Stories hinter dem Sound genüsslich ausgebreitet.

Das gesamte Verweisspektrum ist um die magische Zeit der späten 1970er und frühen 1980er Jahre geknüpft, in der das Beginnen ja bekanntlich nie aufgehört hat. Die spannende Frage war immer, was aus solchen dekonstruktiven Bewegungen wie Punk einmal werden würde.

Das vierzig Jahre später so ein wortgewandter, geschickt gedrechselter Typ wie Eckhart Nickel und ein ebensolcher Roman aus dieser Kultur hervorgeht, ist dann doch eine ziemlich gewaltige Überraschung.

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