Die Liebe zu besingen ist ja eines der ältesten Motive zu schreiben. Kummer und Leid hervorzeigen, genauso wie Schaum und Übermut. Seit dem Mittelalter ist der Minnegesang der hot stuff der Literatur. Heutzutage allerdings ist das Lobpreisen der wahren Liebe in Groschenheften und bunten Kitschschnulzen kommerziell zu Tode instrumentalisiert.
Ob bei solchen oft schematisch erzählten Geschichten wirklich noch jemand fühlt? Die Hürde jedenfalls zu einem Buch zu greifen, dessen Untertitel eine Liebesgeschichte verspricht, ist hoch. Allzu oft ist das doch nur ein berechnetes Spiel des Verlages mit dem Eskapismus der Leserinnen und Leser.
Zu Paare habe ich eines Abends dann doch gegriffen, so sehr hat mich die Schönheit des Buches verführt: Der Glanz des Bildes, das geschickt monochrom angetäuschte Spiel von gelbem Hintergrund, Kleid und den blonden Haaren der Frau, die dort allein sitzt, verinnerlicht mit geschlossenen Augen – und einen Widerspruch darstellt zum schwungvoll gesetzten Titel „Paare“.
Was folgte, waren 105 Seiten pure Entzündung, überschäumende Gefühle, Zweifel, Unbändigkeit. Hier erzählt eine Frau, die ein gewöhnliches Leben in Brooklyn lebt. Sie hat einen Freund, eine Katze, schreibt Gedichte und träumt: Von Verführung, Lust und Unterwerfung.
Ihre Paarbeziehung hält diesen Sehnsüchten nicht stand. Als sie eines Nachts in einer Bar eine Frau kennenlernt, streift sie ihr altes Leben ab und taucht ein in eine aufregende, obsessive neue Liebe. Und sie fragt sich, wer dieses neue Ich ist, das sich mitreißen lässt und keinen Halt mehr findet.
Diese Geschichte ist gleichermaßen verführerisch wie verbrennend, ein Gleißen von einem Buch. Die enorme Sprengkraft der Liebe spiegelt sich in der Kühnheit der Form. Es gibt nicht nur Prosapassagen, sondern auch lyrisches Erzählen. Maggie Millner provoziert die Mehrdeutigkeit eines Satzes, eines Gefühls durch den virtuosen Einsatz ihrer Zeilen und Sprünge – und durch die virtuose Übersetzung von Eva Bonné! Das ist unkonventionell rasant und traf mich in dieser frischen Form umso heftiger. Eine Liebesgeschichte, ja!
Vorspiel
Ich wurde ich selbst.
Ich wurde ich selbst.
Nein, ich war immer ich.
Nein Ich, das gibt es nicht.
Ich dachte, ich müsste den Blick
nie nach Innen richten, solange der Blick
auf ihn fiel, den ich liebte.
Ich irrte mich. Ich liebte
alles, was ich sah.
Und dann, eines Tages, sah
ich in einen Spiegel. Und er war nirgends
in dem Spiegel, und sie war überall.