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La Storia von Elsa Morante in einer neuen Übersetzung

Mittwoch, 24. Juli 2024
Advertorial
La Storia
von Elsa Morante
Wagenbach
.
38 €

„Wenn nur beide, das Politische und das Poetische, eins sein könnten! Das wäre das Ende der Sehnsucht und das Ende der Welt“, schrieb Peter Handke etwa zur selben Zeit, wie Elsa Morante ihren großen Roman La Storia verfasste. Ob es bei ihr so sehnsuchtsgeprägt zuging wie bei Handke, sei dahingestellt. Feststeht jedoch eine ähnliche Teilung in Politisches wie Poetisches und das Ringen um Vereinung.

La Storia – das ist zu Beginn jedes Kapitels eine nüchterne Chronik von Diktaturen und Menschheitsverbrechen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. La Storia ist aber auch die Geschichte der verwitweten jüdischen Lehrerin Ida in den Jahren 1941 bis 1947, die in den römischen Armenvierteln San Lorenzo und Testaccio versucht, ihre beiden Söhne durchzubringen.

Zum einen den älteren Nino, einen präpotenten Schwarzhemdträger, der lieber heute als morgen in den Krieg ziehen möchte und später – soviel sei verraten – bei den Partisanen landen wird. Zum anderen den kleineren Bruder Useppe, der von Geburt an versteckt wurde, weil er Frucht einer Vergewaltigung durch einen deutschen Wehrmachtsoldaten ist.

In seinem Versteck gedeiht allerdings nicht etwa ein zurückgebliebener oder verwahrloster Jüngling à la Kaspar Hauser heran, ganz im Gegenteil erweist sich Useppe als immer heiterer, immer neugieriger Junge: „Dieser wehrlose Winzling kannte keine Angst, sondern nur spontanes Vertrauen. Es war, als gäbe es für ihn keine Unbekannte, sondern nur Familienangehörige, die er, wenn sie nach einer gewissen Abwesenheit zurückkehrten, auf den ersten Blick wiedererkannte.“

Dieser Useppe steht unter anderem stellvertretend für die Kinderperspektive auf all die Schrecklichkeiten des 20. Jahrhunderts. Sein Staunen und seine Wissbegier sind entscheidende Sympathieträger der Geschichte und gleichzeitig auch Bindeglied zwischen dem Poetischen und dem Politischen.

Denn das ist das bis heute ungewöhnliche an diesem Roman, den Elsa Morante im Sommer 1974 veröffentlicht hat: Erzählt werden die kleinen Geschichten im Wechsel mit der kollektiven, großen Geschichte der Jahre 1941 bis 1947. Morante listet systematisch nicht nur die italienischen Ereignisse auf, sondern die der Weltpolitik.

Und so wenig beide Erzählebenen auf den ersten Blick miteinander in Verbindung stehen, so sehr man staunt über das präzise, stichpunktartige Referat der politischen Ereignisse der Zeit, so sehr erkennt man nach längerem Lesen doch, wie es Morante mit diesem stilistischen Griff zu zeigen gelingt, wie umfassend die politische Gewalt bis in die kleinsten Alltäglichkeiten hineinwirkt. 

Morante verknüpft die Geschichte einer politisch entzündeten Welt mit dem Schicksal einer Frau und ihrer Kinder. Die Figuren sind hier nicht als Stellvertreter für jeweils zugeordnete machtpolitische Positionen zu verstehen, wie wir es heutzutage von historischen Romanen häufig kennen. Nein, Morante ist komplexer und bietet uns hier wirklich zwei Lesarten an.

Zum einen die politisch unübersichtliche Geschichte der Machtverschiebungen in und um Italien in den 1940er Jahren. Und zum anderen die wundervoll schöne und tieftraurige Geschichte einer Mutter und ihrer beider Söhne, die sich jeweils auf ihre eigene Art durch die Verwerfungen im faschistischen Italien hindurchwinden.

Dieser Roman ist so reich an Zwischentönen, so voll von ungeahnten Wendungen, Details und zwischenmenschlichen Herzlichkeiten – eine reine Freude beim Lesen und als Geschichtsunterricht. Und es sei vorweggenommen: Elsa Morante gelingt es – glücklicherweise – genauso wenig wie Peter Handke, das Ende der Sehnsucht zu erreichen. 

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