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Ein Klassiker für das 21 Jahrhundert

Montag, 06. Januar 2025
Advertorial

Es gibt Geschichten, die hat man auch Jahre später noch detailliert parat; dann gibt es solche, die im Moment der Rezeption zwar beeindruckend waren, dem Gedächtnis allerdings verloren gegangen sind; und es gibt jene Geschichten, zu denen man immer wieder zurückkehrt.

Eine solche Geschichte ist für mich der Debütroman von Roland Schimmelpfennig, der bereits 2016 erschienen ist, und zu dessen Wintersehnsucht in Noir-Stimmung ich bisher noch in jedem Januar wieder zurückgekehrt bin: An einem klaren, eiskalten Januarmorgen zu Beginn des 21. Jahrhunderts erzählt in mehreren Handlungssträngen von gut einem Dutzend Figuren, die allesamt auf der Suche sind – mancher nach einem Freund, andere nach einem Zuhause, wieder andere nach Befreiung, wie beispielsweise die Frau, die morgens auf dem Balkon die Tagebücher ihrer Mutter verbrennt.

Oder der suchende Bildhauer, der in seinem Atelier vor einem stählernen Walskelett steht und sich fragt, was er da eigentlich macht, und wozu. Solche kurzen Momente der hinterfragenden Stillstellung sind das Licht dieser ansonsten in ziemlicher Tristesse spielenden Geschichten; eine Tristesse jedoch, die jenseits der Depression liegt, die ästhetisch aufgeladen ist, die kühl glänzt. Es ist die Schönheit des Zauderns, die Schimmelpfennig zu inszenieren weiß.

Zusammengehalten werden die Erzählstränge von der Geschichte eines Wolfes, der an eben jenem klaren, eiskalten Januarmorgen zu Beginn des 21. Jahrhunderts kurz nach Sonnenaufgang den zugefrorenen Grenzfluss zwischen Deutschland und Polen übertritt, in Brandenburg Spuren hinterlässt und schließlich auch in Berlin gesichtet wird. Dieser streunenden Bewegung folgt auch das Erzählen, nach Berlin. Was anfänglich in der Peripherie seinen Ausgang nimmt – auf der Autobahn, auf dem Dorf, an einem Güterzug –, verdichtet sich zu einem urbanen Mosaik des 21. Jahrhunderts.

Die stechend lakonischen Dialoge, die short Cuts, das elegische Besingen verlorener Welten und die illusionslose Darstellung prekärer Existenzen – all das macht diesen Roman zum Januarklassiker schlechthin. Nachdem der nostalgische Kerzenschein erloschen, das knisternde Geschenkpapier entsorgt und die freudige Knallerei verklungen ist, ist die perfekte Zeit für diese klare, eiskalte Geschichte zu Beginn des 21. Jahrhunderts.

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