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Das Buch der Schwestern von Amelie Nothomb

Dienstag, 20. August 2024
Advertorial
Das Buch der Schwestern
von Amelie Nothomb
Diogenes Verlag
.
23 €

Was, wenn die anfängliche, große, überschäumende Liebe sich nie verändert; wenn der Schaum der Zweisamkeit für immer so übergriffig bleibt wie am Anfang? – Gemeinhin wird unter der Veralltäglichung der Liebe ja schwer gelitten, wird das Staubsaugen gegen das Candlelightdinner aufgerechnet, die Arbeitszeit gegen die Stunden zu Zweit.

Nachdem wir diese Geschichte von Amélie Nothomb gelesen haben, müssen wir das nostalgische Leiden beiseiteschieben. Die Autorin legt es zwar nicht direkt darauf an, es ist keineswegs der Sinn des Buches uns Freude am Alltag einzuimpfen, aber dass es nach dem Siebten Himmel noch andere Lieben zu erfahren gibt, erzählt Amélie Nothomb hier en passant.

Es ist die Liebe zwischen Nora und Florent, die nicht abflaut. "Bei jedem Treffen begann das Mysterium von Neuem. Bei jeder Berührung flogen Funken. Jeder Kuss ließ sie schwindeln." Und auch als sie ihre erste Tochter Tristane bekommen, wird dieser Drang zueinander nicht weniger. "Offenbar gab es für sie keinen Platz am Set. Das Casting für diesen seltsamen Dreh enthielt eine Mitspielerin zu viel. In dem Film gab es nur zwei Hauptfiguren: die jungen Liebenden."

Nothomb versetzt sich wie in einem Gedankenexperiment in diese Tochter hinein. Bereits kurz nach der Geburt blicken wir auf diese Kleinfamilie aus ihrer Sicht. Diese Tristane ist still, um brav zu sein; sie ist überklug und hat bereits im Alter von 18 Monaten mit ihrer ebenfalls sozial vernachlässigten Cousine eine Patentochter. Ein Wunderkind!

Diese vollkommen unrealistische Versuchsanordnung ist erfrischend grell und übertrieben und keineswegs ernst gemeint. Man muss das metaphorisch lesen, dann wird das Beispielhafte an dieser Situation deutlich. Denn schon im biblischen Titel "Das Buch der Schwestern" ist ja angedeutet, wie Tristane diese fehlende Liebe ihrer Eltern kompensieren wird: Durch absolute Zuneigung zu ihrer vier Jahre nach ihr geborenen Schwester.

"Die Liebe der beiden Schwestern war alles andere als ein Abbild der Liebe zwischen Florent und Nora. Diese gehörte zur Kategorie der Verliebtheit, die man nicht geringschätzen sollte. Zwischen Tristane und  Laetitia jedoch herrschte eine Liebe im absoluten Sinn, eine Liebe jenseits der Ordnung, ein Phänomen, das umso mächtiger war, als es in keine Schublade passte. (...)

So wurde Laetitia in die Fülle geboren, wohingegen Tristane sie mit viereinhalb erst kennenlernte. Laetitia wusste nicht, dass das Herz verhungern kann, Tristane konnte das nie vergessen. Gleichzeitig mit der Liebe erwuchs eine Kluft zwischen ihnen: Laetitia würde nie Angst haben, nicht geliebt zu werden, Tristane für immer und ewig."

Amélie Nothomb ist eine Menschenfreundin. Selbst die asozialsten Handlungen ihrer Figuren schildert sie in großer Zugewandtheit, der größten Verwahrlosung noch schenkt sie Freundlichkeit. Auf diese Art gelingt es ihr, menschliche Fehler anders auszuleuchten als beispielsweise in der Küchentischpsychologie. Doch verharmlosen tut sie nichts: Auf all die Freundlichkeit und lichte Schönheit ihrer Geschichten folgt zuverlässig die präzise und schonungslos benannte Konsequenz.

Nothomb lesen tut ziemlich gut. Es prickelt und schäumt mit bitterem Abgang. Was will man mehr.

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