Dieses Buch tut so harmlos. Die Farben scheinen so lieblich und nett, der Titel so pilcherhaft romantisch. Doch wenn wir genauer hinsehen, erkennen wir die Risse und Spuren im Bild, die Schatten auf dem Gesicht, die Aufrichtigkeit im Blick. Und nach dem Lesen ist jeder Schein von Harmlosigkeit verflogen, vielmehr noch schalt man sich selbst für die Naivität, mit der man anfangs auf das Buch geblickt hat.
Der Roman „Das Liebespaar des Jahrhundert“ beginnt mit einem Satz, dessen Bedeutung im Folgenden ausgelotet, dessen Kontext erzählt, dessen Schmerzhaftigkeit uns beigebracht wird: „Im Grunde ist es ganz einfach: Ich verlasse dich.“
Was dann folgt, ist geschickt erzählte Dekonstruktion dieses Anspruchs eines jungen Paares, das Liebespaar des Jahrhunderts zu sein, denn so eine Liebe kann doch noch niemand vor ihnen erlebt haben. Julia Schoch rekapituliert die rauschhaften Jahre der Verliebtheit, das Abenteuer der Elternschaft genauso wie Schockmomente im Zusammensein, Wendepunkte, Verletzungen. In präzisen Alltagsbeobachtungen sieht sie Liebesmuster, die uns alle angehen.
Das ist ja das paradoxe an Autorinnen dieser Klasse: Je näher sie bei sich bleiben und je spezifischer die erzählte Geschichte ist, desto offener sind die Texte für Empfindungen und Erinnerungen von uns Lesern. Ich jedenfalls hatte tatsächlich schlotternde Knie beim Lesen, mir ist zum ersten Mal übel geworden, ein Zittern hat mich durchfahren. Wie gnadenlos Julia Schoch im Text ist! Wie offen und hart und ehrlich. Wie dicht und komplex und konsequent das alles aber auch ästhetisch gearbeitet ist!
Wenn wir im Dezember 2023 auf das Literaturjahr zurückblicken werden, werden wir an diesem Buch nicht vorbeikommen. Auch wenn die Literaturpreise in Deutschland ein Glücksspiel sind, ich gehe gerne jede Wette ein auf diese Intensität, diese Wahrhaftigkeit, diese absolut rücksichtslose Ehrlichkeit!