Paloma Proudfoot im Soy Capitan:
Bis zum 10. Juni
Mittwoch bis Samstag 12-18 Uhr
un_endlich im Humboldtforum:
Bis zum 27. November
Mittwoch bis Montag 10.30 bis 18.30
Frühling ist generell eine gute Zeit, um über The Big D also den Tod zu sprechen, denn so wie sich die Jahreszeiten in einer unendlichen Spirale von Dunkelheit und (Ab)Sterben zu Helligkeit, Aufkeimen und Leben bewegen, so tun wir dies auch. Von der Geburt zum Tod, von einer Existenz in die nächste. Während unser Körper zurückbleibt und zur Erde zurückkehrt, um in seine nächste Form zu wachsen, bleibt die Seele in ihrer Form.
Sie kennt keine Geburt oder Tod. Niemand kann ihren Anfang oder Ende definieren. Wie sollte das auch funktionieren? Die einzige Konstante im Leben ist die Veränderung. Sobald wir das emotional, mental und spirituell verstanden haben – also auf einer zellularen Ebene und nicht rein intellektuell – verliert der Tod seinen Schrecken und wir können ihn als das verstehen, was er ist: Eine alchemistische Transformation von einem bekannten Zustand zu einem unbekannten. Für den Großteil meist nicht greifbar, solange wir am Leben sind.
Welches mich zu einem meiner Lieblingsaccounts auf Instagram bringt, den ich in diesem Zusammenhang unbedingt erwähnen und empfehlen möchte: die 2017 in Berlin gegründete School of Death.
Das Projekt möchte „die Kluft zwischen Alltag und Sterben überbrücken“, welche in der westlichen Gesellschaft zu einem der meist vernachlässigten und tabuisierten Themen überhaupt zählt. Der Tod ist kaum in unserer Kultur und gelebten Realität integriert. Wie unterstützen wir diejenigen, die diese Reise direkt angehen, wie gehen wir selbst damit um?
„The School of Death hat sich zum Ziel gesetzt, ihren Teil dazu beizutragen, die Trennung des Untrennbaren zu heilen. Der Tod ist eine Seite der kostbaren Münze des großen Mysteriums unseres Seins.“
Wie das große Mysterium des Seins im Mittelalter verstanden und dargestellt wurde, steht auch im Mittelpunkt in der aktuellen Ausstellung von Paloma Proudfoot bei Soy Capitan mit dem Titel The Three Living and The Three Dead. Interessanter- oder logischerweise (?) wurde der Tod in den damaligen Traditionen oft als personifizierte Kraft gesehen, die in der Lage war, mit den Lebenden zu interagieren. Das geheimnisvolle Fresko The Triumph of Death (1440-45) das im Palazzo Abatellis in Palermo hängt, zeigt den Tod als Skelett auf einem durchscheinenden Pferd durch eine Menge von Menschen pflügend – auf deren Gesichtern die unterschiedlichsten Reaktionen.
Die plastische Realität des Todes im Mittelalter steht im krassen Gegensatz zu der schon am Anfang erwähnten notorisch verschleierten und stigmatisierten Einstellung, die wir ihm heutzutage in der westlichen Welt entgegenbringen. Proudfoot greift in ihrer einzigartigen Neuinterpretation dieses mittelalterliche Narrativ auf zärtliche und durch die Wahl der Materialen nahbare Art und Weise auf. Die vorher geschnittenen Muster wirken in ihrer Haptik und Optik freundlich, die Glasur verstärkt die Motive, arbeitet diese mit subtiler Feinheit in den Raum ein, transportiert aber in einer weiteren Facette eine nachdrückliche, glasklare Härte. Absolut großartig!
„Körperliche Grenzen werden verwischt, die Ränder zwischen Sterblichen und Toten, Innen und Außen aufgelöst. Organe werden freigelegt, Speiseröhre und Magen sichtbar gemacht. Das Fleisch wird geöffnet und entfaltet sich wie ein kunstvolles Kleidungsstück, wobei Haut und Stoff durch diese viszerale Entwirrung des Körpers nicht mehr zu unterscheiden sind… Zwei körperlose Unterarme mit sehnigen Muskeln, die in Ranken aus grünen Trieben sprießen, legen ihre Hände auf die Schultern einer der zentralen Figuren, als würde der Tote die Lebenden durch die Geste der Berührung beruhigen. Dieser Austausch von Liebe und Abhängigkeit wird an anderer Stelle betont: jemanden zu halten, ihn zu kleiden, seine Anwesenheit in seiner Abwesenheit zu spüren. Jeder Körper wird als verbunden gezeigt…“
Auch im Humboldt Forum widmet man sich derzeit noch bis zum 26. November 2023 dem Tod und seiner unendlichen Realität. Die immersive Ausstellung un_endlich führt die Besucher*innen durch einen filmischen Prolog an das Thema aus unterschiedlichen Sichtweisen heran. Durch die raumübergreifenden Installationen wird ein multimediales und interaktives Erfahren möglich. Da gibt es Stimmen unterschiedlicher Glaubensgemeinschaften, die ihre Vorstellungen vom Jenseits teilen, aber auch besondere Traditionen und deren Umgang mit dem Körper Verstorbener. Eine Audio-Lichterzählung die den Tod aus naturwissenschaftlich-medizinischer Perspektive unter die Lupe nimmt, zeigt, was genau beim Sterben passiert und es werden unangenehme Fragen gestellt wie: „Welche Verantwortung haben wir für den Tod anderer Menschen? Und droht im Zuge des gegenwärtigen Artensterbens gar die Selbstauslöschung unserer Spezies?”
Da fällt mir ein Abschnitt aus einem Text von Simone de Beauvoir über den Tod ein, den ich neulich in einem Post der School of Death gelesen habe:
„Wir bestehen aus dem Stoff der Zeit; Leben heißt weitergehen, vorwärts gehen, von Moment zu Moment. Das Leben beginnt nicht mit der Geburt und endet nicht mit dem Tod. Es ist eine Kontinuität, die ständig unterbrochen wird.“ - Simone de Beauvoir