Mittwoch bis Freitag 11-19 Uhr
Samstag und Sonntag 10-19 Uhr
Gropius Bau
Niederkirchnerstraße 7
10963 Berlin-Kreuzberg
.Anfahrt planen
April und „Frühlingszeit“, das heißt in Berlin Gallery Weekend! In diesem Jahr ist es die 19. Ausgabe des Kunsthighlights, das sich international wie regional allerhöchster Beliebtheit erfreut. Seit 2005 stellen um die 50 Galerien etablierte und aufstrebende junge Künstler*innen dem kunsthungrigen Publikum vor, welches das „dicke B“ im Zeitraum vom 28. bis 30. April noch einen Tacken dicker macht.
Bis dahin ist aber noch etwas Zeit und die kann man zum Beispiel sehr gut im Gropius Bau verbringen. Die Ausstellung, die es dort derzeit zu erleben gibt, möchten wir Ihnen besonders ans Herz legen!
Warum? Rainbow Serpent (Version) ist nicht nur die bisher umfassendste Ausstellung des australischen First-Nation-Künstlers Daniel Boyd in Europa, sie ist auch im wahrsten Sinne des Wortes unfassbar wichtig. Unfassbar auf unterschiedliche Weise: Einmal für Europäer*innen mit unserer eurozentrischen Sichtweise auf First-Nation-Völker generell, und hier im speziellen den australischen.
„Aboriginal“ ist der Mehrheit ein Begriff und da hört es dann meist auch schon auf. „First Nation fungiert hier als Oberbegriff für alle Menschen, die familiäre Verbindungen zu den ersten menschlichen Bewohner*innen Australiens haben: Aboriginal und Torres Strait Islander Nations. Diese setzen sich aus vielen verschiedenen indigenen Gemeinschaften zusammen, die jeweils ihre eigenen Sprachen, Kulturen und Bräuche haben. Boyd, der 1982 in Gimuy/Cairns geboren wurde gehört zu den Kudjala, Ghungalu, Wangerriburra, Wakka Wakka, Gubbi Gubbi, Kuku Yalanji, Budjalung und Yuggera und hat ni-Vanuatu-Vorfahren.“
Diese Vorfahren leben seit über 50.000 Jahren auf dem Kontinent, bevor dieser 1825 zu einer eigenständigen Kolonie erklärt wurde. Aber schon 1788 wurde die erste Sträflingskolonie im heutigen New South Wales angelegt. Man wollte mit der Abgeschiedenheit der Lage die Sicherheit der Kolonie erhöhen. Allein die Arroganz, einen ganzen Kontinent als „Abstellort“ für in der eigenen Gesellschaft „unerwünschte Subjekte“ zu nutzen ist eigentlich „unfassbar“, oder?
“Our spirituality is oneness and an interconnectedness with all that lives and breathes, even with all that does not live or breathe.” – Mudrooroo
Für uns Unfassbar ist auch die Vielfalt und das Wissen der australischen First-Nation-Völker, und immer mehr Menschen in der sogenannten „zivilisierten Welt“ verstehen, dass wir dieses Wissen brauchen, wenn wir das Ruder noch herumreißen wollen – just saying.
“We cultivated our land, but in a way different from the white man. We endeavoured to live with the land; they seemed to live off it. I was taught to preserve, never to destroy.” – Tom Dystra
Es wäre nicht der Gropius Bau, wenn die Architektur des Hauses nicht eine maßgebliche Rolle in der Kuration der Schau spielen würde, um Boyds Narrative zu verdichten, hervorzuheben, Raum und Fluss zu geben. So nimmt „Boyd die Neorenaissance-Architektur des Gropius Bau zum Ausgangspunkt für eine neue Serie von Gemälden. Er greift dabei auf die Ikonografie des europäischen Klassizismus und Neoklassizismus zurück – und setzt diese in Verbindung mit der Missrepräsentation von Menschen, die kolonialer und imperialer Gewalt und Expansion ausgesetzt wurden.“
Auch dass alle Räume im Obergeschoss als Eingang und Start in die Ausstellung fungieren und diese keiner geordneten Route folgt, ist Absicht und steht für Boyds „Widerstand gegen feste Kategorisierungen, wie sie koloniale Gewalt und kulturelle Homogenisierung kennzeichnen.“
Noch viel, sehr viel kann über diese sehr wichtige Ausstellung gesagt werden, ersetzen kann es das eigene Begreifen, Sehen, Erfassen und Anwenden aber nicht. Im Interview nach dem Kern all seiner Arbeiten gefragt antwortet Boyd in einem Wort: „Gerechtigkeit.“