Vor der Tür des Cafés am Helmholtzplatz, in dem der Schauspieler, Autor und Hörspielsprecher Oliver Wnuk und ich verabredet sind, scheint gerade das Ende der Welt gekommen zu sein. In unfassbaren Mengen fällt der Regen vom Himmel und ich denke gerade an Noah und seine Arche, als stattdessen Wnuk mit tief ins Gesicht gezogener Schiebermütze vor der großen Fensterfront erscheint.
Klar und strukturiert wirkt er. Offen. Frei von Allüren. Er nimmt Platz, bestellt alkoholfreies Bier und Hühnchen mit Humus – "Das Gleiche wie immer!", hatte er der Kellnerin gesagt. Während wir auf das Essen warten, haken wir rasch seinen Lebenslauf ab... Während der Franco-Diktatur sei seine Mutter einst aus Spanien nach Frankreich geflohen und dort nach der Einbürgerung Soldatin geworden.
Nach ihrer Ausbildung soll sie die Wahl zwischen einer Stationierung in Tahiti oder Konstanz gehabt haben und sich, aus ihm unerklärlichen Gründen, für den Bodensee entschieden haben. Dort lernte sie seinen Vater kennen. In nach Sicherheit strebenden Verhältnissen sei er aufgewachsen. Sein Vater habe sein Leben lang als Vertriebler bei ein und derselben Firma gearbeitet.
Mit seinem Wunsch Schauspieler zu werden, hatte er seine Eltern daher zunächst in eine gewisse Aufregung versetzt. Die legte sich jedoch rasch wieder, als sie feststellten, wie wenig naiv und mit wie viel unternehmerischem Geist, er das Ganze anging. Sein Sicherheitsdenken habe ihn bis heute immer die richtigen Entscheidungen treffen lassen. "Ich habe von Anfang an immer etwas zu tun gehabt", so Wnuk.
Dabei kam ihm auch die Vielfalt seiner Ausdrucksmöglichkeiten immer zu Gute. Seit Jahren ist Oliver Wnuk als Autor und Schauspieler sowie als Hörbuch- und Hörspielsprecher aktiv. Er inszeniert Lesungen, insbesondere auch szenische Lesungen und hält Vorträge. Er genieße die Abwechslung und sei immer offen für das, was gerade an ihn herangetragen werde. Bei aller Kreativität sei er dabei immer auch ein Stück weit Unternehmer.
Diese Woche habe er beispielsweise noch drei der Grimme-Online-Awards zu überreichen, einen Vortrag übers Glück an einer Uni zu halten und eine Lesung in einem alten Schwimmbad, dem Plot einer seiner Bücher. Heute sei aber erst mal das Sommerfest seines dreijährigen Sohnes dran, erzählt er mit skeptischem Blick auf die Sturzbäche, die sich noch immer vom Himmel ergießen.
Kürzlich habe er als Botschafter für die Kindernothilfe eine Rede vor 55.000 Gästen des Evangelischen Kirchentages am Brandenburger Tor halten dürfen. Kurz nachdem der ehemalige US Präsident Obama dort gesprochen hatte. Wochenlang habe er an dem Text gefeilt und war zwischenzeitlich schon drauf und dran gewesen, abzusagen. "Ich habe mich gefragt, was ausgerechnet ich zu sagen hätte und warum mir irgendjemand zuhören sollte. Am Ende war ich aber froh, dass ich es durchgezogen habe."
Schon seit längerem beschäftige er sich mit dem Glück und der Glücksforschung. Über frühere Texte dazu sei auch die Kindernothilfe auf ihn aufmerksam geworden und habe ihn zum Kirchentag eingeladen. Aktuell arbeite er gerade an einem Buch zu dem Thema und er erzählt, wie schwierig es sei, von Menschen zu erfahren, was Glück für sie bedeute. Wir verlieren uns im Philosophieren darüber und seine zehn Lieblingsorte wurden fast zur Nebensache...
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Ratskeller in Köpenick. In dem urigen Gewölbekeller, in dem üblicherweise solide Hausmannskost serviert werde, besuche er regelmäßig Jazz-Konzerte. Dabei habe er vor allem an seinen guten Bekannten Roger Cicero besonders schöne Erinnerungen. Er liebe aber auch das extrem durchmischte Publikum, das sich hier zusammenfindet, wenn sich die Orchester auf der kleinen Bühne drängen oder auch mal über die Tische steigen, wie bei den großartigen Irish Folk Konzerten.
Nautilus Hausbootcharter. Er liebe es von Köpenick aus mit einem Boot über die Seen zu fahren. Von dort gehe es dann stets über die Dahme, die Spree und den Müggelsee weiter über Dämeritzsee, Seddinersee und den Langer See zurück zum Ausgangspunkt. Besonders nett sei es, gleich für ein ganzes Wochenende oder länger ein Hausboot zu mieten, um die Natur in vollen Zügen genießen zu können.
Wochenmarkt am Kollwitzplatz. Der wohl bekannteste Markt Berlins verhalte sich zwar wie Disneyland zu Paris, so touristisch sei es dort, aber er stehe einfach drauf.
Kladower Promenade. Die Seeprommenade habe er vor noch nicht allzu langer Zeit für sich entdeckt. Als Kind vom Bodensee, liebe er einfach das Wasser. Auch wenn Kladow ihn beinahe mehr an dem Ammersee oder Starnberger See erinnere, wo er ebenfalls eine Zeitlang gelebt hat. Ganz generell bade er für sein Leben gerne. In der Badewanne könne er ganz für sich sein, habe Ruhe zum Denken und Schreiben.
Flugahafen Tegel. Für ihn der beste Flughafen, den er kenne. An 150 bis 200 Tagen im Jahr seien er und seine Lebensgefährtin Yvonne Catterfeld verreist und folglich sehr oft in Tegel. Auch unabhängig von der Arbeit sei er dabei viel und gerne auf Reisen und er möge gar nicht daran denken, wie es einmal werde, wenn Schönefeld der alleinige Flughafen werde.
Rykestraße. Als er Berlin zum ersten Mal besuchte, habe er sich in diese Straße in Prenzlauer Berg verliebt und sich vorgenommen, hier einmal zu wohnen. Bei den damals dort ansässigen zahlreichen indischen Restaurants habe ein Essen 3 Mark gekostet, erinnert er sich. Zumindest ums Eck habe er dann später auch tatsächlich gewohnt, als er nach Berlin gezogen ist.
Goldhahn & Sampson. "Mein persönlicher Wein-Dealer!", beginnt Oliver Wnuk von dem Feinkostgeschäft am Helmholtzplatz zu schwärmen. Hier könne man blind ins Regal greifen, die Weine schmeckten immer.
Niederschönhausen. Der Stadtteil habe es ihm angetan. Die Bevölkerung sei hier noch schön durchmischt, wohingegen man bei ihnen in Prenzlauer Berg den Eindruck gewinnen könnte, das Leben ende mit 45, schmunzelt er. Er liebe den Schlosspark, in dem sie mit ihrem Sohn gerne zum Hirsche und Rehe füttern gingen. "Super schön ist es dort!", betont er.
Chamäleon. Es müsse einem schon ziemlich viel egal sein, wenn man so krasse Sachen macht wie die Artisten in den Shows dieses Varitées in den Hackeschen Höfen. Da habe er riesige Hochachtung vor. "Wirklich beeindruckend!" Kürzlich habe er mit seiner 13jährigen Tochter die Show Scotch&Soda angeschaut. "Ein toller Abend war das!"
Café am Neuen See. Für Berliner kaum noch ein Geheimtipp, aber er möge diesen Ort. Zum Bötchenfahren mit den Kindern, vor allem aber auch für lange intensive Gespräche mit Freunden. Sowohl das Café im Innern als auch der Biergarten hätten einfach eine sehr angenehme Atmosphäre.