Mittwoch bis Montag 12-19 Uhr
Die Ausstellung findet vom 2.6. bis 17.9.2023 statt
Das Haus der Kulturen der Welt, im Berliner Volksmund wegen der auffälligen Dachkonstruktion besser als schwangere Auster bekannt, war in der Vergangenheit den meisten, wenn überhaupt wohl eher wegen dem dazugehörigen Café Weltwirtschaft als Ort ein Begriff. Und das, obwohl es mitten im Tierpark direkt hinter dem Regierungsviertel an der Spree liegt und den Anspruch hat, dem Besucher auf künstlerische Weise die Kulturen der Welt nahe zu bringen.
So sperrig wie sich dieser Satz anhört war auch oft das Programm, auch wenn die Motivation eine gute war. Das hat sich nun mit einem Paukenschlag geändert, und zwar in the best way possible! Oder um beim Spitznamen des Hauses zu bleiben, die schwangere Auster ist endlich Mutter geworden und gefühlt ganz Berlin kam vorbei, um ihre neugeborenen Kinder zu sehen.
Tatsächlich waren es Tausende, die Anfang Juni zum Eröffnungswochenende ins HKW strömten und sehen wollten, was der neue Leiter Professor Bonaventure Soh Ndikung und sein fantastisches Team im letzten halben Jahr erschaffen haben.
Bringen wir es ohne Umschweife auf den Punkt. Angesichts der katastrophalen Lage in Bezug auf bezahlbare Kunst- und Kulturräume in Berlin, kann einem das Team und Programm um Bonaventure fast schon wie eine Fata Morgana vorkommen: So einladend, divers, progressiv, wichtig, zeitgemäß, inklusiv und erfrischend sind die jetzt spürbare Energie im Haus, der neue Geist und das Angebot.
Vor allem erfrischend in Hinblick auf aktuelle Beispiele wie das drohende Aus des Kulturstandorts der Uferhallen, die nach einem fünfjährigen Marathon mit zähen Verhandlungen nun endgültig vor dem drohenden Aus stehen und damit die ansässigen Künstler*innen auf der Straße.
Auf dem Spiel steht ein seit 15 Jahren gewachsener Produktionsstandort und ein einzigartiger Raum des kulturellen Austauschs auf dem denkmalgeschützten Gelände des ehemaligen BVG-Betriebshofs im Zentrum der Stadt.
Deswegen hier die dringende Bitte den offenen Brief an den Senat zu unterschreiben!
Widerstand und Beharren finden sich jedenfalls auch im Titel der ersten Ausstellung im neuen HKW: O Quilombismo, Flucht als Angriff. "Von alternativen demokratisch-egalitären politischen Philosophien,“ ist eine Gruppenausstellung und Forschungsprojekt bis an den Rand gefüllt mit Workshops, Performances und Publikationen.
Dabei bleibt es nicht nur beim Haus, denn das komplette umliegende Gelände wird von nun an mit einbezogen und bespielt, eingerahmt von Spree und Tiergarten. Es gibt Gärten zum Verweilen, oder um Lesungen zu hören, Murals, Skulpturen, Kinderdisco, wechselnde Pavillons und Performances unter freiem Himmel to name just a few.
Was tun mit der Welt? Diese Frage, die man auf Plakaten in der ganzen Stadt verteilt vorab lesen konnte, findet sich zum Beispiel in der eindrücklichen Installation von Ibrahim Mahama wieder, die einen riesigen Teppich aus Kaffeebohnensäcken über die Freitreppe gespannt hat.
Neben der Ausstellung, und der gleichnamigen fortlaufenden Sommerschule, gibt es mit dem Sonic Pluriverse Festival einen reichhaltigen Festival Sommer den ich allerwärmstens empfehlen möchte. Nicht nur weil Musik es generell einfacher macht sich mit dringenden, oder für den Mainstream ungewohnten Themen auseinanderzusetzen, sondern vor allem auch weil es zu dem wahrscheinlich stärksten Element und Werkzeug gehört, das alle Kulturen dieser Welt verbindet.
Beim Sonic Pluriverse Festival heißt das Congorama. „Eine musikalische Reise mit drei Orten als Klangkompass, die sich an drei Orte auf der Welt orientiert, die das Wort „Congo“ im Namen tragen: dem Kongo-Fluss, Congo Mirador, einem Dorf im Norden Venezuelas, sowie dem Congo Square in New Orleans."
Alle drei Orte sind durch große geografische Entfernungen voneinander getrennt, mit unvergleichlichem Klang- und Kulturreichtum gesegnet und haben viele Gemeinsamkeiten, die aus ihrer gewalttätigen kolonialen Vergangenheit stammen.
Congorama lädt die Öffentlichkeit ein, sich mit dem Klangwissen und der Geschichte dieser Regionen auseinanderzusetzen und zu erleben, wie Klang verschiedene Welten erzeugen und verbinden kann. Und weil Musik das Gehirn mobilisiert und Glückshormone produziert, kann es plötzlich auch ganz einfach sein loszulassen, einzutauchen, mit eyes and heart wide open, um dann reich an Eindrücken und Emotionen, mit Lust auf mehr nach Hause zu gehen.
Als ich neulich auf der neu benannten Paulette Nardal Terrasse stand (alle Räume tragen jetzt die Namen von Autorinnen, Künstlerinnen, Feministinnen, Aktivistinnen, die die Welt ein Stück besser gemacht haben), hat es der Kameruner Singer Songwriter Blick Bassy am Ende seines wunderbaren Konzerts auf den Punkt gebracht, indem er dem unaufgeregt diversen und glücklich-gelöstem Publikum zurief: “...das neue Haus der Kulturen der Welt hat gutes Wifi, aber vor allem gutes Soul Wifi!"
Und, was soll ich sagen, alle haben es in diesem Moment gespürt und verstanden, dass es global darum geht. Man möchte mir meine Euphorie verzeihen...aber allein für diesen Moment wird mir dieser Abend inmitten von Menschen aus aller Welt, für immer in Erinnerung bleiben... anders kann und will ich es nicht ausdrücken. Denn gutes Soul Wifi ist was wir jetzt mehr denn je brauchen.
Das neue Haus der Kulturen der Welt hat einen Anfang gemacht und geht schon mal vor, lucky Berliners!