Joelle Meissner hat sich für unser Treffen das Schlosshotel Grunewald ausgesucht. Das 1912 für den Münchner Rechtsanwalt Walter von Pannwitz und seine Frau erbaute Palais im Stil der italienischen Renaissance, ist die perfekte Kulisse für ihr elegant-feminines, zugleich aber auch mädchenhaft-verspieltes Outfit.
In ihrem langen Blumenkleid nebst Sonnenhut mit breiter Krempe und ihrem Chihuahua auf dem Schoß wirkt sie in dem Sessel der jüngst neu eröffneten Bar des Hauses beinahe ein wenig surreal. Das Sonnenlicht fällt diffus durch die leicht geöffneten schweren Vorhänge und taucht den Raum in ein beinahe mysteriöses Licht.
Die Inszenierung ist perfekt und doch so zufällig, wie sich das gesamte Leben von Joelle Meissner bisher ergeben hat. Vieles hat sie ausprobiert. Vor allem in künstlersicher Hinsicht. Ganz anders als ihr Äußeres im ersten Moment vermuten lässt, ist die Künstlerin dabei derart unprätentiös und sympathisch, dass ich sofort mit ihr auf Reisen gehen möchte.
Verträumt, lebensfroh und spielerisch scheint sie sich durchs Leben zu bewegen und entbehrt dabei dennoch keiner Tiefe und einer gewissen Melancholie. Vermutlich ist es auch genau dieser Mix an bisweilen widersprüchlich erscheinenden Eigenschaften, der ihren besonderen Reiz ausmacht.
In der Meinekestraße groß geworden, bezeichnet sich die 42jährige selbst als "Ku’damm Kind". Sie besuchte die Waldorfschule in Zehlendorf und fand damit früh eine Plattform für ihr malerisches Talent. Als Tochter mit französischen und italienischen Wurzeln, verbrachte sie im Übrigen viel Zeit bei ihrer Großmutter in Frankreich.
Ihr Elternhaus sei ein "verrückter Haushalt gewesen", schwärmt sie. Ihr Vater Fotograf, ihre Mutter Journalisten. Immer war das Haus voll mit Intellektuellen und Musikern. "Hippies", wie sie heute meint. "Vor allem aber alles andere als spießig." Nur mit dem Fernsehen seien ihre Eltern eigen gewesen, das gab es zuhause nicht. Aber gefehlt habe ihr das im Grunde nie und es langweile sie bis heute.
Mit 17 bezog sie mit ihrem damaligen Freund die erste eigene Wohnung und brachte nach drei Jahren gemeinsamen Reisens und künstlerischem Experimentierens ihre Tochter Estelle auf die Welt.
Eigentlich hatte sie Regie studieren wollen, nachdem sie seit ihrem 13. Lebensjahr begeistert als Komparsin gearbeitet hatte, doch dann trennte sie sich von dem Vater ihrer Tochter und musste Geld verdienen. Viel hat Joelle Meissner seither gemacht. Sie handelte mit Asiatischer Kunst und Stoffen, arbeitete als Restauratorin und immer natürlich auch als Malerin.
Am Kudamm leitete sie eine Galerie, in der sie ebenfalls malte und äußerst beliebte Vernissagen veranstaltete. Sie machte eine Ausbildung zur Kunsttherapeutin und eine für Meditationstechniken, vor allem auch um sich selbst zu erden. Sie gestaltete Interieurs und malte weiter ihre zum Teil sehr großformatigen Bilder.
Eine Zeitlang war sie sogar verheiratet und lebte ein vergleichsweise "konventionelles Leben", damit ihre Tochter in einem geordneten Umfeld aufwachsen konnte. Doch bald fehlte ihr das Eigene und sie begab sich wieder auf kreative Reise durch ihre vielfältigen Interessen.
Vor vier Jahren lernte sie auf einer Veranstaltung den Cartoonisten, Performance-Künstler und Autor Lothar Blickensdorf kennen, mit dem sie heute verschiedenste Kunstprojekte realisiert. Von Fotokunst und Ausstellungs-Inszenierungen, über eine gemeinsame Kolumne, für die sie sich durch das Berliner Torten-Angebot schlemmen, bis hin zu einem gemeinsamen Krimi, an dem sie gerade arbeiten.
Zwei, die sich gefunden haben! Und es verwundert nicht, dass Lo Graf von Blickensdorf, so sein Künstlername, Joelle Meissner als seine Muse bezeichnet. Gemeinsam inszenieren die beiden auch sich selbst als skurriles Paar. Eine Inszenierung, die ankommt. Vor allem auch bei den Medien. Ständig werden sie interviewt, gefilmt oder abgelichtet.
Was sie so sympathisch macht, ist vor allem auch die Tatsache, dass die Beiden, bei aller augenscheinlichen Effekthascherei, keinerlei Gewese um sich selbst als Person machen. Sie scheinen einfach nur wahnsinnig viel Freude an all dem zu haben, was sie tun und was ihnen gerade in den Sinn kommt. Vielleicht ist es unser aller Sehnsucht, sich auszuleben, die uns sympathisieren lässt.
Ich jedenfalls hätte mit Joelle Meissner noch ewig beisammensitzen können. Bei Kaffee und Kuchen im Schlosshotel im Grunewald. Einem ihrer zehn Lieblingsorte in Berlin, die sie mir während unseres Treffens natürlich auch noch verraten hat. Während sie weiter über Ihre Leidenschaft für schöne Dinge, Nostalgisches und ihre Begeisterung dafür erzählte, aus alten Kleidungsstücken ein neues spannendes Outfit zu zaubern...
Tipp. Zu den Details der einzelnen Orte gelangen Sie über das Anklicken der orange markierten Namen!
Schlossgarten Glienicke. Der Garten des Schloss Glienicke sei so schön angelegt, dass er aus jeder Perspektive wie ein Gemälde aussehe. Dort sitze sie immer wieder gerne. Zum Malen, fotografieren oder auch einfach nur so. "Ich liebe diesen Ort! Zu jeder Jahreszeit", betont sie.
Rosengarten im Tiergarten. Das mit seltenen Rosensorten angelegte Denkmal kennen meist noch nicht einmal Berliner. Schon mit ihrer Mutter sei sie oft an diesen ganz besonderen Ort im Tiergarten gekommen. Heute komme sie gerne zum Lesen her. Kürzlich sei sie hier auch für einen Fernsehbeitrag gefilmt worden.
Neu Venedig. Sie liebe es auf dem Wasser zu sein, erzählt sie mit leuchtenden Augen. Auch nachts habe sie schon unter freiem Himmel auf einem der Boote in dieser verwunschenen Ecke Berlins übernachtet. Mit Blick in die Sterne und einem Picknickkorb dabei. "Schöner geht es kaum.", schwärmt sie.
Grunewaldsee. Hier gehe sie jeden Morgen mit ihrem Chihuahua spazieren. Sie liebe die Luft am See und finde in der Morgenstimmung immer wieder Inspiration für ihre Bilder. Im Sommer wie im Winter.
Gendarmenmarkt. Den historischen Platz in Mitte möge sie ganz besonders zum Sonnenuntergang. Wenn es ihr mal nicht gut gehe, dann komme sie hierher, trinke einen Kaffee in einem der Cafés und genieße das Ambiente. "Das ist jedes Mal wie eine Reise in eine andere Zeit", sinniert sie.
Grosz. In dem imposanten Café im Cumberland House am Kurfürstendamm habe es ihr insbesondere das Interieur angetan. Vor allem zur Teatime komme sie gerne her. Ein toller Ort, um intensive Gespräche zu führen. Zum Schreiben sei es zu ihrem Leidwesen leider etwas zu dunkel. Dafür wäre aber die Pâtisserie sehr gut.
Patrick Hellmann Schlosshotel. "Hier bin ich wirklich sehr sehr gerne und oft!", beginnt sie über die repräsentative Gründerzeitvilla, in der sich heute ein Luxushotel befindet, zu schwärmen. Schon vor zwanzig Jahren sei sie zu Veranstaltungen und besonderen Anlässen hier gewesen. Heute komme sei gerne zum Lesen auf einen Kaffee her und genieße das sehr private Ambiente.
Schlosspark Charlottenburg. Den Garten des Schloss Charlottenburg besuche sie bereits seit ihrer Kindheit leidenschaftlich gerne. Oft für ein Picknick, aber auch zum Fotografieren mit Lo. Besonders malerisch sei es im Winter, wenn am Morgen die Nebelschwaden über das Wasser ziehen. Im Sommer findet das Dîner en Blanc wieder hier statt: "Ein perfekter Ort dafür!"
Literaturcafé. Auch ein Ort ihrer Kindheit und ein absoluter Lieblingsort, sei das Café in der Fasanenstraße. Unweit ihres früheren Zuhauses in der Meinekestraße, habe man hier schon Familienfeiern ausgerichtet, als sie noch klein war. In der alten Stadtvilla sei es zu jeder Tageszeit schön. Nicht zu vergessen Garten. Da setze sie sich gerne auch allein zum Lesen hin.
Café Kredenz. Wie eine Zeitreise empfinde sie den Besuch in dem nostalgischen Café in der Kantstraße. Es werde von einem sehr netten Ehepaar betrieben und 2014 von der Zeitschrift Feinschmecker als eines der besten Cafés Deutschlands ausgezeichnet. Schon als Kind sei sie nach der Schule immer als erstes mit Ihre Mutter Kaffeetrinken gegangen, für sie sei der Kaffeeklatsch Tradition.