Dienstag bis Samstag 16-23 Uhr
Lausebengel
Grimmstraße 21
10967 Berlin-Kreuzberg
.Anfahrt planen
Berliner Küche hat gemeinhin einen etwas angestaubten Ruf: üppig, fettig, Kneipenessen. Dass man Berliner Küche auch ganz anders denken kann, beweisen seit Mitte 2019 die "Lausebengel" im Kreuzberger Graefekiez. Die Räumlichkeiten selbst blicken auf eine lange gastronomische Tradition zurück: über 35 Jahre lang beherbergten sie die legendäre Kreuzberger Institution Café Rizz – immer voll, immer Energie.
Janosch, einer der Lausebengel, ist tatsächlich im Nebenhaus aufgewachsen. Schon als kleiner Junge kam er ständig hier vorbei. Als er dann sah, dass der ehemalige Inhaber hier aufhören wollte, trommelte er sein ganzes Umfeld zusammen. Berliner Küche sollte es sein, hauptsächlich deshalb, weil Janosch und sein Geschäftspartner Tim es spannend fanden, die klassische Oma-Küche „aufzuhübschen“.
Am schönsten sei es, wenn mehrere Generationen hier kulinarisch aufeinandertreffen. Und da zur Berliner Küche für beide definitiv auch Einflüsse aus der türkischen, arabischen und vietnamesischen Küche gehören, geht es kulinarisch im Lausebengel mit einem weiten Verständnis der Berliner Küche ein bisschen in alle Richtungen. Janosch hätte als Berliner ja auch seinen ersten Döner vor der ersten Currywurst gegessen, scherzt Tim.
Der Biersommelier zeichnet sich im Lausebengel für die Bierauswahl verantwortlich und hat „einen Hang zu manufakturellem Bier und Bier mit ehrlicher Geschichte.“ Deshalb gibt es im Lausebengel vor allem Bier, das die großen Brauereien zwar nicht ausschließt, aber die kleinen bevorzugt. Bedeutet auch: keine große Weinkarte, aber eben eine große Biervielfalt.
An insgesamt zehn Hähnen und aus einigen weiteren Flaschen demonstriert man im Lausebengel einen Teil der rund 150 existierenden Bierstile, darunter mal eine Bayerische Brauerei wie das Bayreuther Hell oder auch kleinere Berliner Brauereien wie BRLO oder Berliner Berg.
Genauso muss man es hier machen und genauso, wie die selbsternannten Lausebengel es tun, ist alles unglaublich stimmig. Das Berlin-und-seine-Einflüsse-Konzept zieht sich charmant und undogmatisch durch den Laden: Drinnen sieht man ganz bewusst noch, wo damals die Bar und das Podest des Café Rizz standen, die Bar wurde aus alten Türen aus Antiquariaten zusammengezimmert.
Die Sitzkissen erinnern an türkische Cafés und das großformatige Wandbild stammt eigens aus der Feder von Milli Fuller, der Frau von Janosch. Einem knappen halben Jahr Umbau folgte die Eröffnung Mitte 2019 und ein paar sorglose Monate vor dem März 2020. Soeben wurde nach der Corona-Zwangspause mit neuem Chefkoch wiedereröffnet.
Grundsätzlich hat sich an dem Lausebengel-Konzept der modernen Berliner Küche und Biervielfalt aber nichts geändert. Eher im Gegenteil, haben Janosch und Tim mit Dean doch einen Chefkoch gefunden, der sich stark mit ihrer gastronomischen Vision identifizieren kann, hier eine Art Kiez-Wohnzimmer zu schaffen.
„Das war sehr überzeugend, denn das ist eigentlich genau das, was meine Küche beschreibt“, erklärt der Chefkoch, der zwar erst spät seinen Weg in die Küche fand, und doch schon einige namhafte Stationen, etwa als Chefkoch im Crackers, vorzuweisen hat.
Wir schlemmen uns durch seine hausgemachten Berliner Happen, die zum Teilen oder als Kneipenessen für den kleinen Hunger gedacht sind. Wunderbar zarter Matjes mit Kapern und sauren Gurken, Rote Bete mit Ziegenkäse und natürlich die Blutwurstkrokette mit Blutwurst aus Neukölln im Filoteig, die man guten Gewissens bereits als modernen Klassiker bezeichnen kann.
Tote Oma in modern. Daneben sind auch größere Tellergerichte von der regelmäßig wechselnden Karte zu haben. Jede:r wird hier fündig. Einfach ein Bierchen zu trinken ist genauso willkommen, wie einen Happen zu essen – wie Berlin eben, jede:r ein bisschen wie er:sie will.
Wer jetzt noch nicht überzeugt ist, sollte sich den „Kanten Brot“ keinesfalls entgehen lassen. Dazu gibt es Brandenburger Quark mit frisch-bitterem Leinöl, Deans Geheimwaffe, sein hausgemachtes Selleriesalz, und seine selbstgemachte Bierbutter. Wirklich ein Traum, die noch dazu hervorragend ins Konzept der Biervielfalt passt.
Und dann wäre da noch diese unglaublich charmante Ecke mitten im Kreuzberger Grün. So kommt hier im ehemaligen Café Rizz irgendwie alles ganz wunderbar einfach zusammen. „Es ist ein magisches Ding“, wird Janosch kurz romantisch, „das Licht an dieser Ecke ist unglaublich. Wenn ich zwischen 17 und 19 Uhr hier sitze, dann ist das immer wieder gut.“
Das können wir nur unterstreichen. Durchdacht, aber undogmatisch, gepflegtes Bierchen und feine Küche, und dieser – doch, das passt schon – magische Ort im Graefekiez.