Ich treffe Kolja Kleeberg in seinem Restaurant Vau am Gendarmen Markt. Zwanzig Jahre gibt es das nun schon bald. Vom ersten Jahr an prämiert mit einem Michelin Stern. Mit voller, sonorer Stimme begrüßt er mich. Hinter ihm eine Gitarre, an den Wänden Ölbilder. Keine Schürze, kein Kochlöffel. Ich stutze. Lasse mir nichts anmerken. Irgendetwas passt nicht. Später erfahre ich was es ist...
1964 wurde er in Köln geboren. Unerwartet früh und fern der Heimat. Seine Eltern waren auf dem Weg zu seiner Großmutter. Holprig soll der Weg dorthin über Baustellen geführt haben. Drei Monate zu früh erblickte er das Licht der Welt. Aufgewachsen ist er in Gülz bei Koblenz inmitten von Weinbergen, besuchte dort die Grundschule und im Anschluss ein humanistische Gymnasium von Koblenz.
Nach dem Abitur wollte er Schauspieler und Sänger werden. – Aha, denke ich, daher meine Verwirrung. Das Stimmgewaltige. Der Bart. Sein ganzes Auftreten. Er würde tatsächlich mehr als Charakterdarsteller oder Opernsänger durchgehen, als ein Stern prämierter Koch. Doch aus dem sehnlichen Wunsch wurde nichts, wenngleich es zunächst danach aussah, denn nach dem Zivildienst nahm er tatsächlich erst einmal Gesangs- und Schauspielunterricht, wurde Inspizient am Theater von Koblenz, spielte kleine Rollen, gelegentlich sogar mehrere in einer Aufführung.
Doch auf Dauer konnte er dort natürlich nicht bleiben. Er bewarb sich an staatlichen Schauspielschulen, doch gegen die Heerscharen an Mitbewerbern konnte er sich nirgends durchsetzen. Und selbst wenn er einen Studienplatz bekäme, so wurde ihm klar, würde es nach der Ausbildung ein fortwährender Kampf um Engagements werden. Ein befreundeter Koch brachte ihn auf den schicksalhaften Weg und er begann in einem kleinen französischen Restaurant seine Ausbildung zum Koch. Zweiundzwanzig war er da.
Schon während seiner Kindheit und Jugend war das Kochen ein präsentes Thema gewesen. Sein Vater hatte leidenschaftlich gern gekocht und als er später mit seiner Mutter alleine lebte auch er selbst. Nun wurde es seine Profession. Die zweite Hälfte seiner Lehrjahre absolvierte er schon im Sternerestaurant Le Marron in Bonn, schloss als Kreisbester ab und blieb zunächst als Pâtissier dort. Es ging nach Paris, zurück nach Bonn, nach Köln und in die Schweiz. Wanderjahre.
1993 holte ihn der Freund, der ihn zur Ausbildung zum Koch verleitet hatte, nach Berlin. Die Stadt müsse er erlebt haben und er würde gerade mit Freunden im Umland ein Restaurant eröffnen. Ein Jahr später folgte zusätzlich die Eröffnung des Restaurants Am Karlsbad nahe des Potsdamer Platzes. Ein voller Erfolg, doch Unstimmigkeiten unter den Betreibern blieben nicht aus. Eine neue Aufgabe sollte her, als Josef Viehhauser vom Le Canard in Hamburg sich bei ihm meldete und ihn als Küchenchef für das Vau engagierte.
Schon im ersten Jahr honorierte der Guide Michelin seine Arbeit mit einem Stern, den er bis heute erfolgreich hält. Seit 2002 gehört ihm das Haus. Parallel hatte er begonnen fürs Fernsehen zu arbeiten: 600 Folgen Frühstücksfernsehen für SAT 1, die Kerner Show, Lanz kocht, die Küchenschlacht, Kocharena. Deutschland kochte und Kleeberg mischte kräftig mit. Ein wenig Bühne für den verhinderten Schauspieler und Sänger.
Eine nette Anekdote hat Kolja Kleeberg noch parat: 1998 hätte plötzlich ein entfernter Verwandter aus dem Osten vor ihm gestanden und ihm einen Umschlag überreicht. Darin enthalten die Unterlagen eines Urahnen, der hundert Jahre zuvor, genau wie er, Koch wurde, obwohl es ihn eigentlich an die Bühne gezogen hatte. Verrückt wie sich manche Geschichten in Familien wiederholen.
Nach seiner Küche gefragt, antwortet Kolja Kleeberg, dass er von Anbeginn das mache, was heute so populär sei und was er eigentlich schon immer für selbstverständlich gehalten habe. Ausschließlich frische, regionale und saisonale Zutaten fänden Verwendung für seine "feine bodenständige Hausmannskost". Er greife alte Rezepturen auf und verleihe ihnen seine ganz eigene Note.
Und es ist eine vollkommene Note, die der Vater von drei Kindern seinen Gerichten verleiht, wie ich selbst überwältigt feststellen durfte. Hingerissen war ich und habe seither einen neuen Lieblingsort. Welche Orte er selbst immer wieder gerne besucht, hat er mir am Ende unseres Interviews dann noch rasch verraten...
Wochenmarkt am Karl-August-Platz. Jeden Samstag geht es für Kolja Kleeberg auf diesen Markt in Charlottenburg. Dort wird eingekauft und ein Glas Wein in einer anliegenden Weinhandlung getrunken. Unter seinen Einkäufen findet sich dann häufig ein Stück hausgemachte Wurst von Herbert oder der Bison Metzgerei. Großartig findet er auch die Pilz-Königin, deren Auslagen ihn schon auch mal an die sehr kurze Morchel-Saison erinnern. Überhaupt ist der Markt eine seiner größten Inspirationsquellen. Üblicherweise werden Obst und Gemüse ja einfach nur bei ihm angeliefert.
American Guitar Shop. Wenn Kolja Kleeberg von diesem Gitarren Laden spricht, bekommt er leuchtende Augen, wie ein Kind im Spielzeugladen. "Ein großer Lieblingsort ist das", betont er. Hier probiere er Gitarren jeglicher Art aus und gerate regelmäßig ins Schwärmen. Dabei spielt er Gitarren nicht nur, sondern erfreut sich vor allem auch an deren vollkommener Form.
Flughafen Tegel. Er sei viel unterwegs und komme herum, aber er kenne bis heute keinen Flughafen, der so gut organisiert sei, wie dieser. "Ein Airport zum wohlfühlen, beinahe cosy", sagt er. Einmal sei er im selben Flieger mit Daniel Liebeskind gewesen, als dieser unterwegs den Zuschlag für den Neubau des World Trade Center in New York erhielt. Ein euphorischer Empfang wartete da bei der Landung auf ihn. Das ist ihm bis heute in Erinnerung geblieben.
Fleischerei Bünger. "Einfach eine tolle Metzgerei", schwärmt Kleeberg. Immer wieder gut sei beispielsweise die "Fränkische Bratwurst", die er seinen Gästen auch immer bei den Hoffesten des Vau serviere. Aber auch das trocken gereifte Rindfleisch, von dem er gerne ein Stück aus dem Umland kaufe, sei neben vielem anderen ganz hervorragend.
Gentlemen’s Circle. Seit Jahren gehe er bei dem Inhaber dieser neuen Institution gegenüber des Hotel Regent Berlin zum Frisör und kenne ihn schon lange. Der Club sei Barbershop, Herrenausstatter und Bar in einem. "Ein echter Männer-Traum.", erzählt er. Für Caterings liefere die Küche des Vau feine kleine Snacks und regelmäßig komme auch ein Schneider aus Hamburg vorbei, der Maß für individuell gefertigte Hemden nehme. „Ein wirklich toller Ort!“
Aroma. "Ich liebe chinesisches Essen", gesteht er "und hier gibt es die besten hausgemachten Dim Sum der Stadt." Sein Favorit seien die mit gegrilltem Schweinefleisch gefüllten Hefeteigklöße "Char Siew Pau". "Einfach fantastisch!"
Windhorst Bar. Eigentlich sei er kein großer Bar-Gänger. Nach einem langen Tag im Restaurant ziehe es ihn meist eher nach Hause. Wenn er sich aber doch mal auf einen Drink irgendwo treffe, dann in seiner Lieblingsbar, dem Windhorst in der Dorotheenstraße. "Die könnte ebenso gut in New York sein", meint er. "Hier gibt es hervorragende Drinks in erwachsenem Ambiente ohne hippe aufgeregte Leute."
Spreeboote. Im Sommer miete er sich immer gerne ein Boot und erlebe die Stadt mit Familie und Freunden vom Wasser aus. Mehr als etwas Kühles zu trinken, eine Bockwurst und ganz viel Sonnenschein braucht es dann nicht für einen gelungenen Nachmittag.
Colecomp. Schon als das Colecomp noch Coledampfs hieß, hat er es geliebt in dem Geschäft für Küchengerätschaften am Kollwitzplatz zu stöbern. Hier tätigt er "Lustkäufe" für den privaten Bereich, wie beispielsweise auch das erste gemeinsame Küchengerät für ihn und seine Lebensgefährtin, eine Tagine.
Lamazère. Er kenne in Berlin kein zweites französisches Restaurant, dass eine so authentische Brasserie-Atmosphäre habe, wie dieser Ort am Stuttgarter Platz. Auch die Gerichte seien authentisch französisch und er fühle sich regelmäßig an seine Lehrjahre in Paris und seine zahlreichen Urlaube im Land erinnert, wenn er sich hier zum Essen einfinde.