Mittwoch bis Samstag 18-0 Uhr
Golvet Restaurant
Potsdamer Straße 58
10785 Berlin-Mitte
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Etwas verwegen kommt man sich vor, wenn man beim Golvet klingelt, denn nicht nur kulinarisch wird es an diesem Abend hoch hinaus gehen: Das Golvet liegt im 8. Stock und bietet einen grandiosen Ausblick, von dem wir bereits bei unserem Besuch zum Interview mit Jonas Zörner hingerissen waren. Nun dürfen wir also endlich auch seine Küche kosten und uns selbst von den Ideen und der ausgefeilten Küche überzeugen, die ihm und seinem Team im Februar einen Stern verschafften. Tatsächlich wird der Ausblick im Verlauf des Abends absolut in der Hintergrund rücken. Aber von vorn:
Wir werden empfangen mit einer wunderbaren Spritz-Variation von der Bar und einem Amuse in Form eines laktofermentierten Safts von gelben Tomaten, die direkt von der sonnenbeschienenen hinteren Dachterrasse kommen. Nach dem No-Waste-Prinzip wurden die Reste der entsafteten Tomate in ein Play von Tomate-Mozzarella verwandelt. Dazu gibt es einen Chip aus Ceasar Salad Aromen mit Veggie-Sardelle aus Aubergine, sowie einen wunderbaren Schaum aus Sonnenblume und Apfel in einer Tapioka-Sphäre.
Das Miso aus Sonnenblumenkern kennen wir von unserem letzten Besuch zum Interview, als das Miso bereits auf dem Tresen vor sich hin fermentierte. Und auch die Belper Knolle auf Joghurt-Basis, die drüber geraspelt wurde, ist selbstverständlich vor Ort entstanden. Allen drei Amuse Bouches überzeugen mit einem Spiel aus genialen Texturen und Aromen, die für den weiteren Abend viel versprechen.
Eines sei schon mal verraten: Wir werden nicht enttäuscht werden. Findig, clever, stets ein Augenzwinkern, aber mit dem Ergebnis einer aromatischen wie texturellen Treffsicherheit, die demonstriert, dass die Profis, die hier in der offenen Küche werkeln, ihr Handwerk äußerst ernst nehmen. Auch bei so etwas Einfachem wie dem Brotgang: Zur legendären Golvet-Karamellbutter gesellt sich das Berliner „äquivalent zur Café de Paris Butter“: die hauseigene Berliner Späti-Butter. Sie hat „von allem ein bisschen, wie Berlin eben ist“, erklärt Chefkoch Jonas Zörner am Tisch.
Berlin als Geburts- und Wirkstätte des jungen Golvet-Chefkochs findet sich regelmäßig in Anspielungen, ist aber kein Dogma. So wird die Wagyu-Zunge gepökelt und erlangt dank gegrillter Fines de Claires Auster, Radieschen und Dillsud trotzdem eine schöne Frische.
Mit dem nächsten Gang geht es gemeinsam mit dem Golvet-Team in den Wald, denn wie wir nutzte man den Lockdown für ausgiebige Spaziergänge – und zum Pilzesammeln. Wir finden also unter frisch gehobelten Steinpilzen zudem eingeweckte Pilze aus Berliner Wäldern, eine Waldpilz-Consommé, die an Umami ihresgleichen sucht (am Tisch eingegossen aus der French-Press) und dazu einen Cracker mit Ziegenkäse und Fichtensprossen. Programmatisch für bereits erwähnte Spielereien, die ordentlich Eindruck hinterlassen: Die Blätter auf dem Moosbett kann man essen. Schön, gewitzt, originell.
Was soll man sagen: Ebenso geht’s weiter mit einem Kartoffelrisotto, dessen Konsistenzen den Ossetra Kaviar on Top gekonnt imitiert. Das Kumquat-Gel konterkariert die Salzigkeit raffiniert, der Merguez-Fond (einen Fond aus Merguez muss man sich erstmal trauen) bringt etwas Fruchtigkeit rein. In diesen Aromen-Reigen vom Mittelmeer fügt sich der herrlich ausgewählte Chianti Classico der Geschwister Martini di Cigala vom Gut Fattoria San Giusto A Rentennano in der Toskana. Von deren Können überzeugen wir uns beim Rosé im letzten Gang noch einmal.
Der Seeteufel mit Artischocken-Salat, geräuchertem Knochenmark und Champagnerschaum ist ein großer Genuss, der katalanische Naturwein Spill von Nonkonformisten Ton Rimbau in Penedès eine echte Besonderheit, insgesamt eine tolle Kombination. Ebenso wir das Zweierlei von der Wachtel mit Blutorange und die kleine Erfrischung von der Bar die zwischen beiden Hauptgängen kommt; ein Milk-Tea Cocktail mit Mandelmilch und zitronigem Fake-Kaviar.
Und überhaupt: Oh ja die Bar unter Leitung von Bar-Chef Andreas Andricopoulos muss hier unbedingt eine lobende Extra-Erwähnung finden. Übrigens schafft er hier nicht nur tolle kreative Drinks, sondern auch für jene, die keinen Alkohol mögen, alkoholfreie Getränke der Extraklasse.
Es folgen zwei Desserts: ein Erdbeertörtchen mit Sauerampfer-Sud und einem sagenhaften Buttermilch-Eis, wenngleich die Sakura-Hippe aus selbstgesammelten Kirchblüten aus der Potsdamer Straße viel Spielerei ist; der verschmitzte Fingerzeig auf Berlin und Zörners Reisen durch Japan ist es Wert. Bevor wir noch den kleinen Dachgarten besuchen dürfen, werden wir überrascht mit dem wohl hübschesten Dessert weit und breit. Der Zuckerschaum mit Himbeerfüllung glitzert goldig, Valrhona Dulcey sorgt für Fülle im Mund, das Hibiskus-Sorbet ist ein Traum.
Wie überhaupt alles. Wir kommen aus dem Schwärmen an diesem Abend nämlich gar nicht mehr raus. Das ganze Ensemble aus toll ausgesuchten Weinen, exquisiten Drinks, extrem herzlichem Service und natürlich grandiosem Essen ist ein einziges Highlight in seiner Gesamtheit. Und haben wir den Ausblick aus dem 8. Stock erwähnt?