Viele Wochen hatte ich das Interview mit der Haut Couture Modistin Fiona Bennett herbeigesehnt. Ein schwerer Unfall, der sie zukünftig einen zweiten Geburtstag im Jahr feiern lassen wird, kam uns im vergangen Jahr dazwischen.
Nun sitzt sie mir gegenüber und sieht mit ihrem hellen "High Crown Hat" attraktiv aus wie eh und je. Eine dezent schillernde Persönlichkeit der Berliner Gesellschaft. Innovativ und modern, doch zugleich immer ein wenig, wie aus der Zeit gefallen.
Selbst im unglamourösen Umfeld des Lula am Markt, wo wir in Friedenau beisammensitzen, habe ich das Gefühl, sie sei soeben einer 30er Jahre Ufa-Filmproduktion entstiegen. Dabei wirkt sie niemals verkleidet. Es ist allein ihre Aura, die sie so graziös, feminin und intellektuell zugleich wirken lässt.
Geboren wurde sie im englischen Brighton als Tochter einer Berlinerin und einem Engländer. Ein Ort, der sie sehr prägte und von dessen Kultur sie viel mitnahm als sie im Alter von sechs Jahren mit ihren Eltern und dem jüngeren Bruder nach Berlin zog.
Das Berliner Leben der "wilden 70er" mit Demos, langen Bärten und großen Gruppen hatte die Eltern gelockt und verschlug die Familie ins Umfeld besetzter Häuser im heute eher gediegenen Charlottenburg. "Es war die Zeit der Befreiung."
Der Vater gründete ein Kollektiv für Gas- und Wasserinstallationen und fertigte Wandmalereien, während die Mutter als Lehrerin für Kunst und Englisch unterrichtete. "Bei uns zu Hause war immer Bewegung. Viele Menschen gingen ein und aus. Künstler. Kreative. Eine sehr politische Zeit war das", resümiert Fiona Bennett.
Aber auch in der weitläufigeren Verwandtschaft gab es erfolgreiche Künstler, die Fiona Bennetts großes Gespür für Ästhetik prägten. Seit jeher habe sie sich dabei auch leidenschaftlich gerne verkleidet und schwärmt noch heute für die englischen "Paläste für Faschingsbekleidung", die die britische Leidenschaft für das Skurrile spiegeln.
Nach der Schule wollte sie ursprünglich Bildhauerin werden. Doch dann entdeckte sie in Kreuzberg einen alten Hutsalon und entschied sich, dort Modistin zu werden. Ein Laden, in dem die Zeit stehen geblieben zu sein schien. "Wie aus den 40er Jahren", erzählt sie mir mit leuchtenden Augen. "Das Geschäft hätte man eigentlich konservieren müssen."
Meterhohe Türme mit Hüten. Altmodische Spiegelkommoden für die Anprobe. An den Wänden die Bilder alter Spielfilmstars, die einst zur Kundschaft zählten. Ein sehr besonderer Ort, der während ihrer Ausbildungszeit viele Künstler und Theaterleute geradezu magisch anzog.
Die Deutsche Oper, das Schiller Theater und der Zirkus zählten zu den regelmäßigen Auftraggebern. Doch vornehmlich habe sie altbackene "Oma-Hüte" fertigen müssen, weshalb sie alsbald damit begann, nach Feierabend ihre eigenen kunstvollen Kreationen zu realisieren.
Diese zeigte sie dann in eigens organisierten Hut-Shows im Berliner Nachtleben. Sie wollte das traditionelle Handwerk, für das sich damals kaum noch jemand interessierte, in die Gegenwart holen. In dieser Zeit traf sie viele kreative Menschen, die bis heute Teil ihres Freundeskreises sind und ihren weiteren Werdegang prägten.
Einen Namen machte sie sich auch mit Mode-Performances, die sie gemeinsam mit der Modedesignerin Lisa D. auf die Beine stellte. Mal mieteten die beiden für diese eine Geisterbahn, in der sie die Horrorfiguren gegen lebende Models austauschten, mal füllten sie einen Kinosaal mit Daunen und ließen die Models durch die umherwirbelnden Federn laufen.
Sie entwarf spektakuläre Outfits für die Touren der Band Rammstein oder für den Schauspieler Ben Becker, war Lehrbeauftragte für Vivienne Westwood an der UdK und gestaltete für Regisseur und Choreograph Vincet Paterson detailverliebte Kostüme, als dieser 2002 für die Bar jeder Vernunft das Musical "Cabaret" inszenierte.
1999 eröffnete sie als Pionierin in Berlins heute eher kommerzieller Mitte ihren ersten eigenen Salon, wechselte 2009 in ein diskretes Studio im ersten Obergeschoss in der Alten Schönhauser – auch um der mittlerweile prominenten Kundschaft unbeobachtete Besuche zu ermöglichen – und bezog 2012, gemeinsam mit ihrem Geschäfts- und Lebensparter Hans Joachim Böhme, einen weitläufigen Laden an der Potsdamer Straße.
Noch immer begleiten Fiona Bennett dabei aber auch außergewöhnliche Projekte fernab des Hutdesigns. Ganz aktuell befindet sich beispielsweise ein Projekt für das Wintergarten Varieté, das sie gemeinsam mit Hans-Joachim Böhme konzipierte, nach zwei Jahren Bauphase in der Fertigstellung.
Im April wird dort nun der vermutlich schönste und spektakulärste Toiletten-Bereich von ganz Berlin eröffnet. Auf sagenhaften 270 Quadratmetern haben die beiden ein verspielt futuristisches Interieur geschaffen, das allein der verarbeiteten Materialien wegen, seines Gleichen suchen wird, erzählt die Künstlerin Neugierde schürend.
Welche Orte Fiona Bennett ganz privat besonders schätzt hat sie mir dann abschließend zu unserem angeregten Gespräch natürlich auch noch verraten...
Tipp. Zu den Details der einzelnen Orte gelangen Sie über das Anklicken der orange markierten Namen!
Viktoria Bar. In diese Bar auf der Potsdamer Straße gehe sie, wenn sie sich nach der Arbeit selbst ein Geschenk machen wolle. Direkt nach Ladenschluss sei sie dann meist der erste Gast, sitze dort an einem festen Stammplatz mit Blick über die gesamte Bar und trinke einen "Prince of Wales" aus einem eiskalten Silberkelch, erzählt sie. Oft schauen Freunde vorbei, wobei sie die Bar stets verlasse sobald es voll wird.
Parkhaus. "Eine wirklich schöne Auswahl an Dingen, die mich noch in Staunen versetzt", schwärmt Fiona Bennett über den Concept Store in Mitte. Dabei könne sie sich das außergewöhnliche Interieur sogar bei sich zu Hause vorstellen. Zuletzt habe sie hier wunderbaren Tee und skurrile Flamingo-Kerze erstanden.
Chalet Suisse. Als den perfekten Ort zum Entspannen nach einem winterlichen Spaziergang bezeichnet sie das traditionsreiche Restaurant im Grunewald. Mit Vorliebe sitze sie hier mit einer Freundin bei einen Gläschen Champagner am brennenden Kamin beisammen. Dort sei man weg von der Welt und fühle sich beinahe wie im Urlaub.
Spitze. Den Laden für edle Vintage-Mode aus den Jahren 1860 bis 1960 besuche sie bereits seit 30 Jahren regelmäßig. Die Inhaber kennen sich unglaublich gut aus und hätten zu allen nur erdenklichen Materialien, Stoffen und handwerklichen Techniken einen beeindruckenden Wissensschatz. "Für mich der wichtigste Vintage Laden in Berlin", betont sie.
Wald Königsberger Marzipan. Ihr Freund sei ein wahrer Marzipanjunkie und in dem familiengeführten Geschäft von 1941 gebe es Ihres Erachtens das beste der ganzen Stadt. In dem kleinen Laden spüre man förmlich noch dessen Geschichte. Ganz besonders hätten es ihr die in leuchtendes Stanniolpapier gewickelten Pralinen angetan. Davon kaufe sie immer gleich eine ganze Tüte voll.
Diptyque. Schon seit vielen Jahren würden in ihrem Laden die Kerzen des französischen Dufthauses brennen. Seit Dezember habe Diptyque nun auch einen eigenen, liebevoll eingerichteten Showroom auf dem Kurfürstendamm. Bei der Eröffnung habe sie das Parfum "Tam Dao" für sich entdeckt, erzählt sie begeistert. Schon seit Jahren habe sie nach einem neuen Duft gesucht und sich zuvor nie für einen entscheiden können.
Rikscha Touren mit Helmut Millan. Um eine ihrer Mitarbeiterinnen zum Geburtstag zu überraschen habe sie kürzlich den Stadtführer Helmut Millan und eine seiner Rikschas gebucht, um sich zum Kaffeehaus Grosz mit seinem imposanten Interieur fahren zu lassen und dort die himmlischen Törtchen der Patisserie L’Oui zu verspeisen. Unterwegs habe Millan so beeindruckend viel zu erzählen gehabt. "Verrückt, was man in der eigenen Stadt noch alles entdecken kann", schwärmt Fiona Bennett begeistert von Millans Wissensschatz und seiner netten Art.
Schöne alte Gläser. In dem Laden in der Suarezstraße gebe es einfach alles, was man sich an Gläsern nur vorstellen kann. Es sei herrlich dort einzutauschen. "Ein inspirierender Ort", erzählt sie mit leuchtenden Augen. Wie eine Fotokulisse wirkten die Regale voll mit Gläsern unterschiedlichster Herstellungstechniken. Dabei sei sie selbst zwar eine große Vintage-Liebhaberin, aber keinesfalls eine Nostalgikerin. Insbesondere bei Gläsern bevorzuge sie aber immer antike Stücke, vorzugsweise in Serie, denn sie mixe ohnehin schon so viel, da müssten zumindest die Gläser einheitlich sein.
Kochhaus. Regelmäßig retteten sie die Filialen vom Kochhaus, wenn sie Gäste erwarte und keine Zeit habe, Rezepte herauszusuchen und die Zutaten an unterschiedlichen Orten zusammen zu tragen. Schon oft hätten sie die fertig geschnürten Koch-Pakete auf ganz neue Ideen und Geschmacksrichtungen gebracht. "Ein schlaues Konzept", konstatiert sie.
Tea Time im Hotel de Rome. Sie liebe Orte, die einen in eine andere Welt brächten. Das Hotel de Rome sei so ein Ort. Insbesondere von Oktober bis Ende März zur Tea Time mit eleganten Sandwiches, Feingebäck aus der Pâtisserie und Scones mit Clotted Cream und Marmelade, der dort freitags bis sonntags zwischen 14 und 18 Uhr im „Opera Court“ serviert würde. Dazu die sanften Klänge vom Piano... "Der perfekte Ort das Leben zu zelebrieren." Hier habe sie sich häufig mit ihrer Co-Autorin Eva Sichelschmidt getroffen, um an ihrem Buch "Vom Locken der Federn" zu schreiben.