Im Ruhrgebiet ist die Wahlberlinerin Eva Sichelschmidt aufgewachsen, seit 1989 ist sie in Berlin. Nun sitzt mir die Schriftstellerin und Kunstexpertin im Manzini in der Ludwig-Kirch-Straße gegenüber. In italienischem Ambiente, wie es sich für eine leidenschaftliche Rom-Liebhaberin gehört.
Die Schule hatte sie einst abgebrochen und zunächst eine Ausbildung zur Damenschneiderin gemacht. In Berlin, wo sie die Liebe, auch die zur Stadt, hin verschlagen hatte, holte sie dann als erstes das Abitur nach. In der "Klasse der Verkorksten", wie sie sie selbst heute rückblickend nennt, habe sie ihre besten Freunde kennen gelernt.
Berlin habe sich seither sehr verändert. Damals zog man noch nach Schöneberg und nicht nach Mitte oder Prenzlauer Berg, wobei es sie dort später auch noch hin verschlagen sollte. Doch ihr Herz gehört bis heute dem Westteil der Stadt. Und natürlich Rom, wo sie einige Jahre lebte und noch immer ihren Zweitwohnsitz hat.
Nach einem kurzen Ausflug ins Modedesign, machte sie sich Anfang der 90er mit einer Maßschneiderei für Braut- und Abendmode in der Möckernstraße selbstständig. Mit großem Erfolg, aber auch mit großen Zugeständnissen an ihr Privatleben. Als 1994 ihre erste Tochter unterwegs war, beschloss sie, dass sich etwas ändern musste.
Drei Jahre lang arbeitete sie also ganz solide als Kostümbildnerin in Hamburg beim Fernsehen, bevor sie dann 1997, gemeinsam mit einer Freundin, doch wieder etwas Eigenes auf die Beine stellte. Und zwar den Laden Whisky & Cigars in Mitte. "Eine spontane Stammtisch-Idee war das damals", erzählt sie.
"Wir haben einen Laden im Heimatmuseum Mitte gemietet, uns mit einem Schachbrett ins Schaufenster gesetzt und Whisky getrunken. Irgendwann meinte ein Freund, dass vier Sorten Whisky und eine Sorte Zigarren vielleicht ausbaufähig seien." Sie lächelt. Heute habe sie 2000 Sorten im Angebot und eine stattliche Auswahl an Zigarren in einem perfekt klimatisierten Humidor.
Seit zwanzig Jahren ist der einmalige Laden nun schon auf der Sophienstraße ansässig, einer der schönsten Straßen Berlins. Bis 2009 stand sie dort selbst noch regelmäßig im Verkauf, doch dann ging es nach Rom. Eine Stadt, in die sie sich schon Jahre zuvor verliebt hatte.
Hier wurde sie Repräsentantin der Villa Grisebach, suchte in Italien Kunst und vertrat die italienische Kundschaft vor Ort in Berlin bei den Auktionen. Heute arbeitet sie selbständig als Kunst-Scout und berät diverse Auktionshäuser. Seither pendelt sie regelmäßig zwischen Berlin und der italienischen Hauptstadt.
Das Schreiben begleitet sie überall hin. Seit ihrer Jugend. "Ich habe eigentlich immer geschrieben. Briefe. Tagebücher. Skizzen.", erzählt sie. Irgendwann habe sie angefangen einen Familienroman zu schreiben, doch die Kunst kam ihr dazwischen. Und vielleicht auch die beiden weiteren Töchter, die beide jeweils im Abstand von sieben Jahren zur älteren Schwester geboren wurden.
Geschrieben hat sie aber dennoch und so ist im Frühjahr, nach der Lebensgeschichte von Fiona Bennett, die sie gemeinsam mit ihr unter dem Titel „Vom Locken der Federn“ schrieb, ihr erster Unterhaltungsroman erschienen. "Die Ruhe weg", heißt er und ist eine Beziehungsgeschichte die am Prenzlauer Berg spielt und nebenher auch noch äußerst unterhaltsam von der Arbeit mit Kunst und Antiquitäten handelt.
Mittlerweile arbeitet sie wieder an dem Familienroman. Immer und überall könne sie das tun. Sie schreibe unterwegs sogar besser als zuhause. Allerdings sei sie dann oft so vertieft, dass sie beispielsweise am Gate schreibend, schon drei Flüge verpasst habe, weil sie den letzten Aufruf einfach nicht gehört habe.
Ihre Lieblingsorte zeugen von ihrer Liebe fürs Skurrile, Etablissements mit Geschichte und natürlich den alten Berliner Westen. Wenn sich auch zwei Orte in Prenzlauer Berg, ihrem langjährigen Zuhause, bevor es sie zurück in den Westen zog, dazu gemogelt haben...
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Whisky & Cigars. Auf ihren eigenen Laden sei sie schon stolz, vor allem auch weil sie von all den Gründern aus den Anfängen rund um den Hackeschen Markt noch eine der wenigen sei, die sich gehalten haben. Damit sei sie noch eines der wenigen Inhaber geführten Geschäfte im Zentrum von Mitte überhaupt. Bis heute fasziniere sie an Whisky und Zigarren vor allem der handwerkliche Aspekt, insbesondere die individuellen Geheimnisse bei der Herstellung.
Paris Bar. Obwohl auch dieser Ort unvermeidbar dem Wandel der Zeit unterliege, schaffe er es, die Legende aufrecht zu erhalten. Nur die Gäste würden altern, lacht sie. "Aber die Paris Bar bleibt immer Paris Bar!" Mit ihren zahllosen immer wieder wechselnden Werken spannender zeitgenössischer Künstler an den Wänden, sei sie wie ein "Kunstmuseum von West-Berlin".
Zoo Berlin. Hier gehe sie beinahe jede Woche mit ihrer jüngsten Tochter her. Während es diese eher zu den Primaten ziehe, hätte es ihr selbst das Haus der nachtaktiven Tiere angetan. Sie selbst sei ebenfalls nachtaktiv und stelle sich dann immer vor, dass sie in ihrem Wohnzimmer vermutlich ganz ähnlich anmutet, wie Feldmaus, Eule & Co.
Flughafen Tegel. Es fasziniere sie, wie sich die wabenartige Architektur auch im Interieur überall wiederfinde. Bei den Toiletten. Bei der Anordnung der Sitzbänke. "Ein echter Sehnsuchtsort!" Ihr Highlight sei Gate 8: "Das Gate mit dem garantiert kürzesten Weg vom Flieger zum Taxi. Das dürften nicht mehr als 50 Meter sein.", schätzt sie.
Heising. "Man würde sich nicht wundern, wenn man Harald Juhnke und Elisabeth Volkmann hier an einem der Tische plaudern sehen würde", schwärmt Eva Sichelschmidt. Hier scheint die Zeit still zu stehen. Wie schon vor 30 Jahren werde auf KPM Geschirr, von den Inhabern persönlich, klassische französische Küche serviert. Flambiertes. Hummercremesuppe. Chateaubriant. Auch das Interieur sei noch original wie in den 80er Jahren.
Savoy. Vor einiger Zeit wollte sie gemeinsam mit einer Freundin eine Pension eröffnen. Ein stilvolles Haus mit altem Service- und Komfortgedanken. Es kam nicht dazu. Aber bei ihren Recherchen habe ihr das Savoy hinsichtlich dieser Punkte ganz besonders gut gefallen. Hier wäre auch das Interieur noch das alte und die Möbel hätten viel mehr "Gewicht" und Charme, als neue Hoteleinrichtungen. Ein Highlight des Hauses sei die Times Bar, eine holzvertäfelte Bar, in der noch geraucht werden darf.
Thermen am Europacenter. In der Anlage auf dem Dach des Europacenters sei so ziemlich alles verbaut worden, was die Baumärkte in den vergangenen 20-30 Jahren im Angebot gehabt hätten. Hier sei wirklich alles an "Bausünden" vereint, so Eva Sichelschmidt. "Da haben meine Augen immer viel zu tun.", schmunzelt sie. Und jede Menge schräger Leute, die man sonst in seinem Alltag nie treffen würde, gebe es dort auch. Die Thermen hätten wirklich nichts mit einem modernen Spa gemein, aber vermutlich vor allem deshalb einen besonderen Charme. Spätestens wenn man im Außenpool mit Blick auf das Bikini Berlin nackt unter dem gigantischen Mercedes-Stern entlang schwimme.
Krom. Diese Bar in der Winsstraße in Prenzlauer Berg werde von zwei jungen Männern geführt. "Eine solide Bar mit unaufgeregtem Ambiente und guten Drinks." Hier dürfe im hinteren Teil auch geraucht werden, was dazu führe, dass nicht so früh Schluss sei. Das komme ihr als Nachtschwärmerin sehr entgegen, obwohl sie im Grunde gar keine passionierte Raucherin sei.
Die Friseure. Seit zwanzig Jahren gehe sie zu den beiden Inhaberinnen Frau Nitz und Frau Cieplik zum Haare schneiden. Die Wände dieses Frisör-Salons könnten beinahe ihr ganzes Leben wiedergeben, so viel hätten die mit angehört. Hier bekommt man "einen anständigen Haarschnitt ohne Kopfmassage". Nur Massimo in Rom dürfe sonst noch an ihre Haare.
Fiona Bennett. Den Hutsalon auf der Potsdamer Straße liebe sie nicht nur, weil er ihrer Freundin Fiona Bennett gehöre. Ihre Hüte seien wie Kunst und das Geschäft wie eine Galerie. Ganz ehrfürchtig stehe sie immer wieder vor der Gestaltung und Fertigung der Hüte, obwohl sie selbst selten Hut trage. "Fiona ist einfach toll!"