Dr & Dr Middle Eastern Culture and Food Lab
Reichenberger Straße 116
10999 Berlin-Kreuzberg
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Wie kann man als genussfreudiger Mensch eine Esskultur nicht feiern, die ein simples Reisgericht so zu zelebrieren weiß. Tahdig heißt das Mahl, das im Iran jedes Kind kennt und liebt. "Topfende" könnte die korrekte Übersetzung ins Deutsche lauten, dabei klingt Juwelenreis doch so viel schöner. Und ja, die karamellisierten Berberitzen, die grün leuchtenden, gehackten Pistazien auf der goldglänzenden karamellisierten Kruste des Reis erinnern ohne Frage an kostbaren Schmuck. Und eigentlich ist dieser gar nicht mehr so einfache Reis ja auch viel kostbarer, als jedes Geschmeide der Welt, angesichts der Tatsache, dass Reis weltweit so viele Menschen ernährt.
Wie dem auch sei. Bei Dr und Dr in Kreuzberg wird er jedenfalls gebührend zelebriert, der Tahdig. Ebenso spannend wie die Küche, die man bei Dr und Dr nicht nur im Rahmen von Dinnerevents genießen kann, ist jedoch die Geschichte der beiden Zwillingsschwestern Forough und Sahar.
Wie der Name ihres Salons bereits andeutet, tragen beide einen Doktortitel. Geboren in Berlin, aufgewachsen in Teheran im Iran, haben beide Physik studiert. Sahar schließt in Meteorologie ab, Forough in Geophysik. Die Promotion führt beide vor 23 Jahren nach Deutschland an die Freie Universität Berlin. Jahrelang arbeiten sie in Forschung und Lehre. Zuletzt hat Sahar ihre eigene Professur für Stadtklimatologie und Nachhaltigkeit, Forough forscht am Geo-Forschungszentrum in Potsdam und ist zuletzt Geschäftsführerin eines Graduiertenprogramms.
Über Jahre aber ist da diese Idee im Hinterkopf, einen Ort der Begegnung zu schaffen. Die Schwestern sind sehr viel gereist, insbesondere auch durch den gesamten Nahen Osten. In den Kulturen, die sie dort vorgefunden haben, stellen sie trotz der Unterschiede zum Iran auch einige Ähnlichkeiten fest. Dafür stehen die goldenen Käfige über dem großen Esstisch: jeder stammt aus einem anderen Land dieser Region.
Überhaupt seien viele der Gegenstände bei Dr und Dr - Servierplatten, Kerzenständer, Vasen - über Jahre gesammelt. "Wir sind der Meinung, dass die Kultur des Nahen Ostens hinter Politik und Religion versteckt ist und daher wollen wir die Kultur davon entfernt präsentieren", erklärt Sahar. Die Schwestern begreifen Dr und Dr deshalb auch als Kulturarbeit. Ende 2018 entscheiden sie, einen Ort zu schaffen, an dem man iranisch Kochen lernen, zum Essen zusammenkommen und über die reiche Kultur des Nahen Ostens dazulernen kann - jetzt oder nie.
Forough kündigt zwei Tage später ihre Anstellung. "Viele haben gesagt, dass wir verrückt sind. Man gibt solche Jobs nicht auf." Ganz bewusst haben die Zwillingsschwestern ihre akademischen Pfade verlassen, um das zu präsentieren, was sie an der Kultur des Nahen Ostens lieben. Oft werden sie gefragt, ob sie es je bereut haben - das haben sie nicht. "Das Leben ist kurz, man muss das Beste daraus machen. Und wir sind sehr glücklich mit diesem Projekt."
Und es kommt schnell gut an: die Schwestern gewinnen den Deutschen Gastro Gründerpreis und führen inzwischen eine Liste mit rund 500 Leuten, die sie einmal in den Iran begleiten wollen. "Wir machen das irgendwann!" bekräftigt Forough lachend.
Überhaupt, die Stimmung im Dr und Dr ist wunderbar. Für seine Gastfreundschaft ist der Iran schließlich legendär. Dementsprechend werden wir fürstlich umsorgt. Zum selbstangesetzten Gin Tonic mit Rosenblüten gibt es Fadenteignester mit Labneh und einen ganz besonderen persischen Festtagssnack: Salatherzen mit Vinaigrette zum Dippen. Der bezaubernd angerichtete Esstisch biegt sich unter unterschiedlicher Meze wie gerösteten Tomaten mit Labneh, Basilikumhummus und Rote-Bete-Dip mit Gemüse; eins hübscher angerichtet als das andere.
Sie zuzubereiten kann man von Forough und Sahar bei Dr und Dr lernen. Neben den Kochkursen gibt es zudem private Dinnerevents zu verschiedenen Themen wie beispielsweise "Teheran meets Tel Aviv" oder zu "Nourouz", dem persischen Neujahrsfest.
Einen kleinen Einblick bekommen wir später, als wir bei feierlicher Musik dabei helfen dürfen, den Tahdig aus dem Reistopf zu stürzen, ihn anzurichten und zu servieren. Vorher und nachher kosten wir diverse feine nahöstliche Speisen, der libanesische Wein fließt und alle haben einfach eine gute Zeit miteinander. Essen ist eben die schönste Form der Verständigung.