Als ich Mathias Brandweiner vor zehn Jahren als Gastgeber des Restaurants Le Faubourg zum ersten Mal traf, war er gerade mal 20 Jahre alt. Schon damals machte mich sein Fachwissen zu Weinen und Spirituosen sprachlos, insbesondere in Anbetracht seines jugendlichen Alters. Auch der Name Brandweiner amüsierte mich: Nomen ist Omen. Kein Wunder, dass er Sommelier wurde.
Damals kam er gerade aus London, wo er in sehr exklusiven Restaurants gearbeitet hatte, nachdem er die Restaurantfachschule im österreichischen Krems abgeschlossen und an ersten Stationen in Kitzbühel und zwei Jahre im 18. Stock des Sofitel Wien gearbeitet hatte. Während des Grundwehrdienstes hatte er zudem seine Sommelier-Ausbildung beendet.
Als eines von vier Kindern war er auf einem Bauernhof in einer kleinen Ortschaft im Waldviertel in Niederösterreich sehr behütet aufgewachsen. Als Selbstversorger hat er hier sein Bewusstsein für hochwertige Lebensmittel entwickelt. Vom Fleisch, das natürlich nose-to-tail verarbeitet wurde, bis zu Säften produzierte die Familie alles selbst. Immer wurde frisch gekocht und es gab eine große Wertschätzung fürs Produkt.
Im Rückblick empfindet er es als großen Luxus, nicht in einer Stadt groß geworden zu sein. „Bis heute ist es für mich das Beste, wenn ich an einem Sommerabend in den Garten geh‘ und die überreife Tomate, die noch richtig warm ist von den letzten Sonnenstrahlen, nehm‘ und hineinbeiße: die Süße, die Säure, das ist so unfassbar gut, dass mir kein Restaurant den Hype um ein einzelnes Produkt schönreden kann.“
Als er nach London ging, auch um sein Englisch zu verbessern, war er gerade mal 18 Jahre alt. Mit einem one way Ticket und ohne eine Unterkunft zu haben, zog er los. In den High Class-Restaurants The Lanesborough und dem Bulgari Restaurant, in dem kein Geringerer als Alain Ducasse für die Küche verantwortlich zeichnete, hat er viel erlebt.
„48 Milliardäre gab es damals in der Stadt, die höchste Dichte an reichen Menschen weltweit. Bei etwa 150 Top-Restaurants kam dort jede Woche einmal einer vorbei.“ Weine für tausende von Pfund habe er ausgeschenkt und den verbliebenen Rest oft probieren dürfen. Zugleich konnte er sich nichts leisten, so teuer war das Leben in der britischen Metropole.
Folglich kam er auch der günstigen Mieten wegen 2014 nach Berlin. Ein ehemaliger Kollege aus dem Sofitel Wien holte ihn zur Eröffnung des Berliner Hauses als Sommelier ins Restaurant Le Faubourg. Es folgten Stationen im Les Solistes, des Sternerestaurant dem Waldorf Astoria. 2017 ging es zurück ins Le Faubourg. Mit gerade mal 22 Jahren wurde er hier Restaurantleiter.
Knapp zwei Jahre später holte ihn das Ritz Carlton ins Restaurant Pots, wo er 2019 „Gastgeber des Jahres“ wurde. Als das Restaurant 2020 wegen Corona vorübergehend schließen musste und er als umtriebiger Mensch nach einer Beschäftigung suchte, holte ihn Antonio Bragato vom Il Calice während der Sommermonate in den Kiosk vor seinem Restaurant. „Der war eh schon immer ein Lieblingsort von mir, das passte gut“, erzählt Brandweiner.
Ins Pots ging er am Ende gar nicht mehr zurück: „In einem so großen Betrieb bist du am Ende nur eine Nummer. Ich wollte wieder einen direkten Bezug zum Gast.“ Sein heutiger Geschäftspartner Frederik Grieb, beide hatten im Pots zusammengearbeitet, holte ihn in die Hafenküche. Hier an der Rummelsbuger Bucht lebt er nun wieder wahre Gastfreundschaft. An einem Ort, der für „verständliches Essen, tollen Service und gute Küche“ steht. „Nicht überkandidelt“ und zu fairen Preisen.
Wo Sommelier, Gastgeber und Gastronom Mathias Brandweiner seine aktuell knapp bemessene Freizeit am liebsten verbringt, hat er uns mit seinen zehn Lieblingsorten verraten. Auch die Hafenküche ist dabei, was viel über die Qualität seines Arbeitsplatzes aussagt.
Nähere Details zu den einzelnen Orten finden Sie über das Anklicken der orange markierten Namen!
Drei Geschäftspartner sind sie in der Hafenküche. 2020 wurde alles hochwertig renoviert. Puristisch, um dem unverbauten Blick auf den Plänterwald und die Rummelburger Bucht nicht die Show zu stehlen. Der dazugehörige moderne Biergarten „Spreedeck“ wandelt sich gerade in einen Weingarten. Die Küchenphilosophie ist simpel: Einfache Produkte von herausragenden Produzenten, gut zubereitet. Es gibt ein tolles Wiener Schnitzel mit Gurkensalat, Burger vom Dry Aged Rind im Brioche Bun, Fleisch vom Grill, Zander von der Havel oder Iberico Schwein in Nussbutter confiert. Verständliches Comfort Food richtig gut gemacht, aber auch Spezielleres. „Oft sitzen hier Berliner Fine Dining Köche am Sonntag beisammen, um unser Schnitzel zu essen. Das ist immer sehr nett“, erzählt er.
Hafenküche |
Zur Alten Flussbadeanstalt 5 | 10317 Berlin Berlin-Treptow
Wenn‘s um hochwertige Küche im italienischen Bereich geht, ist der Gastgeber und Sommelier gerne im Restaurant Il Calice in Charlottenburg. Hier hat er während der Sommermonate der Jahre 2020 bis 2023 auch im dazugehörigen Kiosk auf dem Walter-Benjamin Platz gearbeitet. Im Il Calice gebe es die beste Pasta und die beste italienische Weinauswahl der Stadt. „Und immer einen authentischen, charmanten Service. Unaufgeregt und wie man es von den Italienern kennt, mit dem gewissen Etwas.“
Enoiteca Il Calice |
Walter-Benjamin-Platz 4 | 10629 Berlin-Charlottenburg
Das Zola im Funkhaus an der Rummelsburger Bucht ist seine Zuflucht zur Lunchzeit. Wenn er ganz viel Stress hat, dann holt er sich in der Pizzeria auf dem Gelände des früheren Rundfunks der DDR eine Pizza, setzt sich ans Wasser und lässt „ein bisschen die Gedanken schweifen“.
Anmerkung der Redaktion: Das Zola finden Sie in der Nalepastraße 18. Geöffnet ist täglich von 12 bis mindestens 21 Uhr. Telefon +4917624178704
Funkhaus Berlin |
Nalepastraße 18-50 | 12459 Berlin-Treptow
Im Restaurant des gleichnamigen Kreuzberger Hotels ist er, sobald es Richtung Herbst geht. „Hier gibt es die beste Ente in vier Gängen“, schwärmt er. Auch seine Familie bringt er hier her, weil das „etwas ganz Besonderes“ sei, das man so nirgendwo anders bekommt. Auch die Atmosphäre sei toll: „Man ist in Kreuzberg, mitten in Berlin, aber doch auch an einem sehr schönen, wertigen Ort.“
Orania.Berlin |
Oranienplatz 17 | 10999 Berlin-Kreuzberg
„Wenn ich meinen österreichischen Gelüsten nachgehen darf, dann gibt es das beste Schnitzel im Ottenthal“, sagt er. Auch der Kartoffel- oder besser „Erdäpfelsalat“ sei supergut in dem alteingesessenen Restaurant an der Charlottenburger Kantstraße. Das gilt allerdings nur, wenn er mal nicht in der Hafenküche essen möchte, denn dort sei das Schnitzel natürlich mindestens ebenso gut, lacht er.
Ottenthal |
Kantstraße 153 | 10623 Berlin-Charlottenburg
Zu dem Feinkostgeschäft für Käse und Wein nicht weit vom Kleistpark in Schöneberg, gehört auch ein kleines Restaurant. Das Konzept hole ihn immer „wahnsinnig entspannt“ ab: „Der Sébastien Gorius aus Südfrankreich, der macht das ganz wunderbar“, schwärmt Brandweiner in den höchsten Tönen. Er habe den besten Käse der Stadt und ein Besuch hier sei eine wirklich authentische Erfahrung.
La Cantine d'Augusta Käse Restaurant & Wein Bar |
Langenscheidtstraße 6A | 10827 Berlin-Schöneberg
Seine Leidenschaft für Porzellan kommt durch, wenn er bei der KPM direkt an der Wegelystraße in Tiergarten ist. In einer der ältesten Porzellan Manufakturen überhaupt durfte er während der Pandemie für anderthalb Monate ein Praktikum machen. Von der Weißabteilung bis zur Malerei hat er damals alle Abteilungen mitmachen dürfen. „Das ist schon beeindruckend“, erzählt er begeistert. „Das ist echt ein Kulturgut, das es zu schützen gilt.“
KPM Königliche Porzellan-Manufaktur |
Wegelystraße 1 | 10623 Berlin-Charlottenburg
Für Fine Dining geht Mathias Brandweiner besonders gerne zu Sophia Rudolph ins Lovis. Das Restaurant ist Teil des Hotels Wilmina am oberen Ende der Kantstraße in Charlottenburg. „Sophia kocht eine sehr frische, leichte, vegetarische Küche im französischen Stil. Das holt mich immer sehr ab.“ Im Übrigen ist sie eine gute Freundin von ihm. Auch die Bar sei sensationell und sehr zu empfehlen.
Lovis Restaurant |
Kantstraße 79 | 10627 Berlin-Charlottenburg
Mathias Brandweiner hat lange in Schöneberg gelebt, deshalb zählt auch der Wochenmarkt auf dem Winterfeldplatz zu seinen Lieblingsorten. „Das ist ein unaufgeregter Ort, wo man ganz entspannt Lebensmittel, aber auch Gewürze, Süßes, Gebäckwaren kaufen kann.“ Ein Ort, an dem man den „Berliner Vibe“ spüren kann. „Unaufgeregt, aber trotzdem qualitativ hochwertig.“
Markt auf dem Winterfeldtplatz |
Winterfeldtplatz | 10781 Berlin-Schöneberg
Der Bootsverleih sei eine ganz tolle Möglichkeit für einen entspannten freien Nachmittag im Sommer: „Einfach raus fahren in Richtung Oberbaumbrücke, Kulisse mit Fernsehturm im Hintergrund, eine schöne Flasche Rosé, vielleicht noch ein, zwei Sachen vom Grill direkt am Wasser, das ist Laissez-faire und Entspannung, das geht gut“, schwärmt er.
Spreeboote |
Zur Alten Flussbadeanstalt 5 | 10317 Berlin-Rummelsburg