Montag bis Freitag 18-21.45 Uhr
Barra
Okerstraße 2
12049 Berlin-Neukölln
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Sold within two hours. Das Chicken-Sandwich brachte das Barra im Neuköllner Schillerkiez zu Hochzeiten der Pandemie endgültig auf die kulinarische Landkarte der Hauptstadt – meterlange Schlangen sorgten dafür, dass die Stulle des Begehrens täglich binnen kürzester Zeit aufgefuttert war. Schade, wenn man nichts abbekam, denn teilen war zu jener Zeit nun wirklich gar nicht angesagt.
Das hat sich in der Zwischenzeit glücklicherweise wieder geändert. Unkomplizierte, kleine Tellergerichte zum Teilen, ohne viel Chichi, kommen im Barra nun wieder auf den Tisch. Fokussierte Produktküche, die durch ihre unaufgeregte Ehrlichkeit mitten ins kulinarische Herz trifft, kochen Daniel Remers und Neil Paterson. Es lohnt sich, ihnen bei ihrer Arbeit über die Schulter zu schauen, indem man direkt am Tresen mit Blick in die offene Küche Platz nimmt.
Wie man das heute so macht, als gastronomischer Betrieb der etwas auf sich hält, pflegen sie dauerhafte Beziehungen zu den besten Erzeuger*innen, Züchter*innen und Lieferant*innen der Region und können so stets auf hochwertigste Zutaten zurückgreifen. Und das wirkt sich naturgemäß auf die herrlichen Gerichte aus.
Da wir an diesem Abend zu viert zu Besuch sind, begeben wir uns in den hinteren minimalistisch, aber nicht ungemütlich gehaltenen Bereich mit viel Beton. Der hervorragende und äußerst aufmerksame Service macht es sich persönlich zur Aufgabe, die schwangere Begleitung über Zubereitungsarten, rohe Inhaltsstoffe und Co. zu informieren und Gerichte gegebenenfalls in der Küche anpassen zu lassen.
Zudem empfiehlt sie uns, alle Teller einmal zu bestellen – eine gute Idee, denn so können uns tatsächlich alle der geteilten Teller überzeugen: Angefangen beim fantastischen Sauerteigbrot mit Butter und dem fein aufgeschnittenen Capocello-Schinken, sowie dem sauer angemachten Römersalat mit Ossau Iraty-Käse, unter dem sich Apfel und karamellisierte Cashews verbergen. Eine Geschmackskombination aus süß und sauer, die uns nicht nur mundet, sondern am Tisch auch Erinnerungen an Omas Salat aus der Kindheit weckt. Köstlich wie heimelig schmeckt auch das Süppchen vom Sprossenbrokkoli, das ein Schaum aus Colston Bassett bedeckt.
Kerry Westheads kümmert sich im Barra nicht nur um die Gäste, sondern auch um die Auswahl herrlich korrespondierender Naturweine, die am Tisch ebenfalls auf großen Anklang stoßen: Der Mon Blanc von der Domaine des Côtes Rousses etwa ist ein wahrer französischer Schmeichler, großes Trinkvergnügen bietet auch der A l’ombre des Jeunes Vignes en Fleurs von Yannick Meckert aus dem Elsass – buttriges Popcorn trifft auf einen schönen Grip.
Fulminant köstlich und jede Zutat gebührend würdigend geht es auch auf den Tellern zu: Ob Jakobsmuschel mit grünem Spargel und einer überraschend scharfen, krustentierlastigen Hollandaise oder die überraschend sauer abgeschmeckten, aber delikaten Gnocchi mit Cime die Rapa.
Haselnuss unterstreicht das Feinnussige des weißen Spargels und schafft gleichzeitig eine Brücke zur Süße des feinen Räucheraals. Auch das knackige Texturenspiel aus Nuss, Spargel, Senfsaat und dem zarten Fisch steht herrlich zusammen. Der Bigorre Noir Schweinenacken mit Morcheln und Bärlauch Rösti wird kurzerhand von der Begleitung gekürt: „Lange schon habe ich nicht so gutes Schweinefleisch gegessen!“
Natürlich treffen da auch die beinah salzig anmutenden Desserts auf viel Anklang, allem voran das Apfelsorbet mit Zitronenthymian und einer dicken Blätterteigschicht, das eine äußerst erwachsene Version einer Apfeltasche ergeben könnte.
Gut, dass Teilen inzwischen wieder en vogue ist. Dass dies durchaus eine eigennützige Entscheidung sein kann, beweist das Barra auf elegante Weise – so muss man sich so wenig wie möglich dieser köstlichen Gerichte entgehen zu lassen. Das tröstet sogar über das Chicken-Sandwich hinweg.