Kunsthistoriker. Kurator. Talente-Scout. Ganz sicher zählt Andreas Murkudis zu den aktuell kreativsten Köpfen der Stadt. Er leitete das Museum der Dinge im Martin-Gropius-Bau, eröffnete in baufälligen Altbauten in Mitte seine ersten innovativen Läden und wechselte in den Westen als es ihm dort zu kommerziell wurde. Heute ist er die Schlüsselfigur des Wandels an der oberen Potsdamer Straße, wo sich seit der Eröffnung seines einmaligen Concept Stores im ehemaligen Tagesspiegel Gebäude, mehr und mehr Galerien und spannende neue Gastronomie-Konzepte niederlassen.
Kommunisten wollten seine Eltern werden, als sie 1949 unabhängig voneinander vor dem Griechischen Bürgerkrieg in die DDR flüchteten. Im politischen Umfeld lernten sie sich kennen. 1973 zog es sie, mittlerweile als Familie mit zwei Kindern, in die Heimat zurück. Doch die Heimreise fand in West-Berlin ihr jähes Ende, weil Griechenland die Einreise verweigerte und so wuchsen er und sein Bruder, der Modedesigner Kostas Murkudis, von nun an im Wedding auf und besuchten in Schöneberg die Schule.
Murkudis studierte Kunstgeschichte und wurde Geschäftsführer des Museums der Dinge im Martin-Gropius-Bau. Seiner langjährigen Leidenschaft für schöne Produkte folgend initiierte er dort einen Museumshop, für den er fortan akribisch außergewöhnliche Dinge zusammentrug. Schokolade von Erich Hamann, Düfte von Comme des Garçons und vieles mehr, was ihm besonders gut gefiel. 2001 entschied er sich etwas Eigenes zu machen. Er gönnte sich ein Jahr Auszeit und entschloss sich, einen Laden zu eröffnen, in dem er nur Sachen verkaufen wollte, die ihm selbst gefielen.
2003 war es soweit. Dabei schrieb er nie einen Buisness-Plan und lehnt bis heute Investoren kategorisch ab. Er möchte unabhängig bleiben und sich nicht reinreden lassen müssen. Dennoch wurden aus dem ersten eigenen Laden innerhalb von zehn Jahren ganze sechs Geschäfte. Zum Herrengeschäft gesellte sich eines für Damenmode, eines für Taschen und eines für Möbel. Er betrieb einen Acne Flagshipstore, als die Marke noch ein echter Geheimtipp war und bot der Traditionsmarke Schiesser eine Plattform für ihre damals noch junge Retro-Kollektion.
Als große Ketten anfingen, die kleinen speziellen Geschäfte der Anfangsjahre zu verdrängen und das Umfeld zunehmend kommerzieller wurde, begann er nach einer alternativen Immobilie Ausschau zu halten. Er fand sie im ehemaligen Tagesspiegel Gebäude und schuf dort einen wahren Tempel der Ästhetik. Mit der Hand eines Kurators trägt er dort nun weiterhin außergewöhnlich schöne Mode, Taschen, Kosmetik und Accessoires zusammen, die sich insbesondere durch ihre hochwertige Verarbeitung von der regulären Massenware unterscheiden.
Groß wie eine Industriehalle und doch so fein und exklusiv bestückt wie ein Setzkasten, gehört der Laden an der Potsdamer Straße heute in die Top-Riege international bekannter Läden. Fünfzig Prozent seiner Kunden kommen von außerhalb, nicht wenige davon sind Stammkunden. Mit dem überwiegenden Teil der angebotenen Marken arbeitet Andreas Murkudis bereits seit vielen Jahren zusammen. Alles ist auf eine langfristige Zusammenarbeit angelegt. Immer geht es um Qualität, Handwerk und persönliche Sympathie.
Ab 8 Uhr steht Andreas Murkudis jeden Morgen im Laden und brütet an Verfeinerungen, Umgestaltungen oder Produkten, die er gemeinsam mit alten Manufakturen für limitierte Editionen realisiert. Ganz Kurator, wird die Ausstellung immer wieder neugestaltet. Für Creme Guides hat er seine Lieblingsorte in Berlin zusammengetragen...
Tiergarten. Schon als seine beiden Kinder noch ganz klein waren, sei er immer viel lieber hierher gegangen, als sich auf den tristen Spielplätzen in Mitte zu tummeln. Ein völlig unterschätzter Ort sei der Tiergarten, vor allem unter der Woche. Drei Stunden habe er dort gerade am Wochenende wieder mit seinem Sohn Fußball gespielt.
Café Einstein. "Ein Ort, der zu allen Tageszeiten funktioniert", schwärmt Murkudis. Hier kann man sich zum Frühstück, Lunch oder Abendessen ebenso verabreden, wie nur auf einen Kaffee. Er liebe den Garten hinterm Haus und schätze das tolle Personal, das er zum Teil schon seit Jahren kenne. "Nach all den Jahren noch immer ein Ort, der Gäste aus der ganzen Stadt anzieht.", sagt er. "Und das obgleich drum herum eigentlich nur Ödland ist."
Erich Hamann. In dem Laden an der Konstanzer Straße würde er regelmäßig in eine andere Zeit versetzt. Besonders nett sei es, den Damen durch einen offenstehenden Spalt im Vorhang dabei zuzuschauen, wie sie Pralinen und Schokoladenstücke feinsäuberlich von Hand einwickelten. "Unglaublich, dass es so etwas noch gibt!", schwärmt Murkudis. Zur Weihnachtszeit sei er der einzige Laden in Berlin, der noch mit den massiven Schoko-Nikoläusen beliefert werde. Viel zu aufwendig seien sie in der Herstellung.
Harry Lehmann. Ein einmaliger Laden sei das Geschäft auf der Kantstraße, in dem Kunstblumen und Parfum nach Gewicht verkauft werden. Seit 90 Jahren besteht das Familienunternehmen, das heute von Mutter und Sohn geleitet wird. Bisweilen würden die beiden sich recht skurrile Namen für ihre Düfte einfallen lassen, die nicht nicht so recht zum altmodischen Flair zu passen scheinen. Zuletzt brachte ihn beispielsweise ein Duft namens "Point of no return" zum Schmunzeln.
Das Stue. Sein Lieblingshotel in Berlin. Hier quartierten sie immer wieder auch Freunde ein. Die Lage sei unschlagbar. Zentral und trotzdem direkt am Tiergarten. Begeistert sei er auch von den Fotografien, die überall im Haus zu finden sind und vom Susanne Kaufmann Spa. "Ein echter Zufluchtsort und einfach eine traumhafte Location!"
MDC. Melanie Dal Canton, die Inhaberin dieses kleinen exklusiven Beauty Concept Stores, sei jahrelang seine rechte Hand gewesen. "Sie hat ein wirklich gutes Händchen für den Nischenmarkt." Das Interieur hätten die Architekten AAS Gonzalez Haase entworfen, mit denen er selbst auch seit Jahren zusammenarbeite. Der Laden sei sehr schön puristisch mit einem "präzisen Sortiment".
Galerie Thomas Fischer. Thomas Fischer sei ein langjähriger Freund, mit dem er viele Jahre in seinen Läden zusammengearbeitet habe und der heute die Galerie vis-à-vis seines Ladens betreibt. Er schätze sein Wissen und seinen Geschmack. In der tollen Auswahl an Künstlern, liebe er besonders den Japaner Seiichi Furuya, in dessen Werk sich alles um seine verstorbene österreichische Frau drehe. Ein Künstler der noch viel mehr wertgeschätzt werden müsste, meint Murkudis.
Radialsystem. Viele Jahre schon kenne er die Choreografin Sasha Waltz und ihren Mann Jochen Sandig, die das Haus leiten. Obwohl Sasha Waltz ein "Bannerträger" für Berlin sei, würde sie noch immer viel zu wenig gefördert. Regelmäßig bringe sie die internationale Tanzelite nach Berlin. Dabei entstehe für die Bühne des Radialsystems ein spannender Mix aus ihren eigenen Choreografien und Gästen.
KW. Hier käme er schon regelmäßig her, seit der Ausstellungsort kurz nach dem Mauerfall entstanden ist. Eine tolle Anlage mit wechselnden Ausstellungen auf unterschiedlichen Ebenen sei das. Der Hof mit dem Café sei bis heute "eine Oase" in Mitte. Hier hätten früher zeitweise auch Persönlichkeiten wie Marina Abramović oder Hedi Slimane von YSL gewohnt.
PraterGarten. Als einen "Easy Ort" beschreibt Murkudis diese Gaststätte mit großem Biergarten an der Kastanienallee. Zu Essen gäbe es "solide Berliner Küche" und das Ambiente sei einfach und gemütlich. Beinahe jeden Sonntag sei er mit seiner Familie hier, aber auch Gäste aus Paris habe er schon mit hergenommen. Ein Ort, an dem er sich einfach wohlfühle.